Stalin über Lenin (2. Teil)

Lenin stürzte den Kapitalismus, Stalin baute den Sozialismus auf. Ihre Nachfolger kooperierten mit dem Kapitalismus, bis der Sozialismus zerstört wurde | Photo: Archiv

Stalin über Lenin
2. Teil

 

Aufschlussreiches über Lenin erfahren wir auch aus Stalins Artikel zum 50. Geburtstag Lenins, betitelt ‘Lenin als Organisator und Führer der KPR‘. Damit sind die Schwerpunkte des Artikels benannt. Es ging um Leben und Tod der Partei. Lenin wurde am 22. April 1870 geboren, Stalins Artikel stammt also vom 22. April 1920. Lenin verstand es ausgezeichnet, Wege und Mittel zur Verwirklichung des Marxismus zu ändern, wenn Situationen sich änderten. Lenin hatte als Parteiorganisator zu beachten, dass sich ihre Gründung im Gegensatz zu den Ländern im industriell fortgeschritteneren Westen unter konspirativen Bedingungen vollziehen musste. Eine einheitliche Kampforganisation von Berufsrevolutionären war erforderlich. Man sagte Lenin nach, dass er als garstiger Polemiker aufgetreten sei, aber das war notwendig, um eine Partei aus einem Guss hinzubekommen. Er biss weg, wer sich ihm in den Weg stellte.

Es lag somit auf der Hand, dass Lenin sich scharf gegen die Menschewiki wandte, welche die legalen westlichen Parteien kopieren wollten, denen es NUR um die wirtschaftliche Verbesserungen der Lage der Arbeiter ging. Sie forderten von der russischen Arbeiterbewegung, sich auf den lokalen ökonomischen bzw. trade-unionistischen Kampf zu beschränken. Lenin kam dagegen Ende 1900 auf die Idee mit der allrussischen Zeitung ‘Iskra‘ (Der Funke) als einem kollektiven Organisator, eine gesamtrussische politische Zeitung zur Zusammenziehung der besten Kämpferinnen und Kämpfer. Die ‘Iskra‘ spielte von 1900 bis 1903 eine große Rolle bei der Bildung einer autonomen Kampfpartei. Sie erschien im Ausland und wurde illegal über die Grenze eingeschleust. Ohne Zeitung und ohne auf ihrer Grundlage errichteten Partei wäre die ganze Bewegung einem menschewistischen Klassenkampftaumel preisgegeben gewesen, um so leicht eine Beute der Liberalen zu werden. Stalin spricht von der

„organisatorischen Verlotterung der Menschewiki“
(Stalin, Lenin als Organisator und Führer der KPR, in: Lenin, Ausgewählte Werke, Band I, Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau, 1946, 24).

Dank Lenin wurde aus einer Partei, die der Gefahr der Verlotterung ausgesetzt war, eine zugleich in sich mehr als die bürgerlichen Parteien gefestigte als auch elastische Partei.

Lenin hatte als Führer der Partei diese an die Spitze der Revolution zu hieven, dies umso mehr, als die Menschewiki defaitistisch die russische Bourgeoisie als den Hegemon sowohl der proletarischen als auch der bäuerlichen Revolution und das Proletariat lediglich als äußerste linke Opposition anerkannten. Lenin zerschlug diesen menschewistischen Plunder, indem er die revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft in den politischen Raum stellte, eine Forderung, die im Keim die ‘Diktatur des Proletariats‘ in sich enthielt. Nach der Oktoberrevolution avancierte Lenin zum Führer der stärksten und gestähltesten proletarischen Partei der Welt. 

Aufschlussreiches über Stalins Leninbild können wir in seiner Rede auf dem Gedenkabend der Kremlkursanten vom 28. Januar 1924 entnehmen, in ihr berichtet Stalin von seinen persönlichen Begegnungen, beginnend mit der Begegnung im Dezember 1905 auf der Konferenz der Bolschewiki in Tamersfors (Finnland).

Lenin verstand es, über die verwickeltsten Dinge so einfach und klar, so gedrängt und kühn zu schreiben und zu sprechen, dass jeder Satz wie ein Schuss traf. Stalin nennt Lenin den Bergadler unserer Partei und charakterisiert ihn in einem Atemzug als bescheiden.
(Vergleiche Stalin, Über Lenin, in:  Lenin, Ausgewählte Werke, Band I, Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau, 1946,31).

Er hatte nichts von einem großen Mann der Weltgeschichte an sich. Weder kam er, um die Spannung zu steigern, zu spät zu seinen Reden, wie dies ausgeklügelt zum Beispiel, ich weiß die Vergleiche hinken, Hitler, Franco und Peron taten, noch unterstrich er seine Worte mit wilden Armen gestikulierend.

In Tamersfors erlebte Stalin Lenin zum ersten Mal als Redner. Einfache klare Beweise, kurze und allgemeinverständliche Sätze, keine effektvollen Phrasen, so notierte Stalin seinen Auftritt. Nichts an ihm glich eineten in der Minderheit blieben. Stalin erlebte Lenin als Verlierer. Es gab kein intellektualistisches Lamentieren, denn Lenin wusste, dass er Recht hatte und sicher siegen wird. So reagierte Lenin auf eine Niederlage, um im Falle m Parlamentarier. Das Fesselndste aber war die unüberwindliche Kraft der Logik. Stalin traf Lenin 1906 auf dem Stockholmer Parteitag wieder, auf dem die Leniniseines Sieges wiederum nicht überheblich zu werden wie auf dem Londoner Parteitag 1907. Durch den Sieg nicht überheblich werden, so lehrte er es uns. Er hatte die innere Kraft gegen den Strom zu schwimmen, wenn die Mehrheit der Partei gegen marxistische Prinzipien verstieß. Das zeichnet marxistisch-leninistische Klassenkämpfer aus, während kleinbürgerliche und bürgerliche Parteien auf das Erbärmlichste durch Duckmäusertum zusammengehalten werden.  Er war prinzipienfest genug, um gegen die Parteimehrheit aufzustehen, sogar als einziger gegen alle.  Das sind die ganz raren Bergadler, die in der Wüste ihres Daseins die Kraft zum Kämpfen nur in ihrem Inneren ohne Entlehnung aus anderer Autorenschaft finden, denen ein immer glühender Impuls eigen ist, keine anderen Autoritäten neben sich zu platzieren und zu dulden, nur sich aus sich selbst aufzutreiben.  Deshalb folgen, um es mit Hegel zu sagen, ganze Völker diesen Seelenführern, deshalb zogen im März 1953 fünf Millionen Menschen am im Gewerkschaftshaus aufgebahrten großen Feldherren Stalin vorbei und der Franzose Bortoli, ein Augenzeuge, weiß zu berichten, dass auf dem zu engen Trupnajaplatz bis zu 1 500 Menschen zu Tode gepresst wurden.  Für beide, für Lenin und Stalin war ausgemacht, dass prinzipienfeste Politik die einzig richtige Politik ist. Prinzipienfestigkeit allein ist nicht ausreichend zur großen weltgeschichtlichen Tat, den Massen vertrauen, an sie glauben, das ist das alles in sich fassende Metier von Berufsrevolutionären. 

Von 1909 bis 1911 wütete bis aufs heftigste die Reaktion, es kam in einer Zeit des Zerfalls zu einer Massenflucht von Intellektuellen, gar von Arbeitern aus der Partei und es ergab sich ein Wirrwarr von Parteifraktionen wie bei den Menschewiki. Nur Lenin erlag keiner Auflösungstendenz und hielt das Parteibanner hoch zur zähen Sammlung der besten Kräfte.  

In der Zeit von 1914 bis 1917 wütete der imperialistische Krieg, fast alle großprahlerischen sozialistischen Revolutionäre mutierten über Nacht zu Imperialisten, warfen die rote Fahne in den Staub, um ihre Hände in Malocher Blut zu waschen. Stalin führt aus, dass Lenin der einzige, „oder fast der einzige“ war, der den Kampf gegen den Sozialchauvinismus und Sozialpazifismus aufnahm. Der Internationalismus war ganz peripher geworden, eine eingeknickte Blume, aber Lenin glaubte an die schöpferischen revolutionären Kräfte der Massen und an den proletarischen Klasseninstinkt, der erfasst, dass die normale Ordnung in der Geschichte die Ordnung der Revolution ist. Er war der festen Überzeugung, dass man die Massen nicht nach den Büchern lehren bzw. belehren könne, umgekehrt: Die praktischen Erfahrungen des Kampfes der Massen sorgfältig studieren.

„Glaube an die schöpferischen Kräfte der Massen – das ist gerade jene Besonderheit im Wirken Lenins, die es ihm ermöglichte, das Walten der spontanen Kräfte zu erfassen und ihre Bewegung in die Bahn der proletarischen Revolution zu leiten“ (a.a.O.,36).

Das letzte Kapitel seiner Rede über Lenin vom 28. Januar 1924 hat Stalin Lenin als Genius der Revolution gewidmet.

Lenin war für die Revolution geboren, er war der Genius revolutionärer Explosionen und der größte Meister revolutionärer Führung. In einer Epoche revolutionärer Erschütterungen war er in seinem Element.
(Vergleiche a.a.O.). 

Das ist die rechte Sprache, im Manifest von Marx und Engels heißt es, dass der ganze offizielle Überbau der bürgerlichen Gesellschaft in die Luft gesprengt werden müsse – ein Bild, das sich jeder Revolutionär einprägen muss. Denn Marx und Engels sprechen im Manifest auch von

„Verbesserern der Lage der arbeitenden Klassen“
(Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke, Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960,488),

ordnen diese aber als konservative Sozialisten ein, eben: Ihnen fehlt das In-die-Luft-Sprengen.  An den Wendepunkten der Revolution blühte der revolutionärste Leser der Revolution, unser Erzieher Lenin förmlich auf. Lange vor Mao prägte Stalin 1924 das Bild von Lenin als Fisch im roten Wasser, Stalin spricht auch von der schwindelerregenden Kühnheit der revolutionären Pläne Lenins. 

Erwähnenswert ist vor allem der Fall des alten reaktionären Haudegens General Duchonin, der sich wenige Tage nach der Oktoberrevolution weigerte, die imperialistischen Kriegshandlungen gegen das reaktionäre deutsche Heer – Lenin wurde von der Reaktion bekanntlich als dessen Spion denunziert – einzustellen. Duchonin, Oberbefehlshaber über 12 Millionen Mann, lehnte den entsprechenden Befehl des Rates der Volkskommissare, die Waffen aus den Händen zu legen, ab. Lenin fand die Lösung – eine der technischen Art. Über Radio teilte er die Absetzung des alten Generals mit und ernannte den jungen Rechtsanwalt Krylenko zum Oberbefehlshaber. Die Generale der Duchonin-Armee wurden verhaftet.

„Genialer Scharfblick, die Fähigkeit, den inneren Sinn der herannahenden Ereignisse rasch zu erfassen und zu enträtseln – das ist jene Eigenschaft Lenins, die ihm half, an den Wendepunkten der revolutionären Bewegung die richtige Strategie und eine klare Linie des Verhaltens festzulegen“.
(Stalin, Über Lenin, in:  Lenin, Ausgewählte Werke, Band I, Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau, 1946,38). 

Es wurde eingangs darauf hingewiesen, dass das Studium der Originalwerke Lenins durch nichts zu ersetzen ist. Fünf ragen aus dem Mammutwerk heraus für Menschen, die sich entschlossen haben, nicht länger wegzusehen, sich nicht länger zu ducken, nicht weiter ihren Rücken zu verkrümmen, sondern politisch-revolutionär Angriffe auf die kapitalistischen Zitadellen in Angriff zu nehmen:

  • 1902: Was tun? (Grundlegung einer revolutionären Arbeiter- und Bauernpartei), 
  • 1916: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (Darstellung der neuen ökonomischen Bedingungen unter der Herrschaft des monopolistischen Finanzkapitals im Gegensatz zum klassischen Konkurrenzkapitalismus),
  • 1917: Staat und Revolution (Wiederherstellung der opportunistisch verfälschten Staatslehre von Marx und Engels zwecks Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates),
  • 1918: Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky (Verschleierung der bürgerlichen Diktatur mit marxistischen Phrasen),
  • 1920: Der ‘Linke Radikalismus‘, die Kinderkrankheit im Kommunismus (Versuch einer populären Darstellung der marxistischen Strategie und Taktik). 

 

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Dieses OnlineMagazin Der Revolutionär stellt kommunistische Weltanschauung zur Diskussion. Leider ist die bestehende Sichtweise über den Weg zum Sozialismus vielfach verfälscht, gelegentlich auch revisionistisch unterwandert und hat mit einer kommunistischen Ideologie wenig, gelegentlich auch gar nichts mehr zu tun. Viele Autoren, auch die Redaktion, befinden sich heute, durch unsere Altersstufe bedingt, im Ruhestand. Wir alle möchten aber unsere Erfahrungen als frühere „Parteikader“ weitergeben. Diese haben wir in der marxistisch-leninistischen Parteiarbeit und politischen Auseinandersetzung der 1970er und 80er Jahre gesammelt. Meinungsartikel und Gastbeiträge – auch wenn sie gelegentlich von der Meinung der Redaktion abweichen –  sorgen für ein breites Meinungs- und Informationsspektrum.

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Über Heinz Ahlreip 115 Artikel
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse.

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