Eine rüstungsindustrielle Basis für die Ukraine

Sie verdienen am Klrieg. Vorstand von Rheinmetall und UkrOboronProm

Rheinmetall gründet ein Joint Venture mit dem ukrainischen Rüstungskonglomerat UkrOboronProm und will zu einem zentralen Ausrüster des ukrainischen Heeres werden.

17. Mai 2023

KIEW/DÜSSELDORF (Eigener Bericht) – Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall will zu einem zentralen Ausrüster der ukrainischen Landstreitkräfte werden. Dies geht aus den Plänen der Düsseldorfer
Waffenschmiede für die Bildung von Joint Ventures mit dem ukrainischen Rüstungskonglomerat UkrOboronProm hervor. In dem Konglomerat sind seit 2010 mehr als hundert ukrainische Rüstungsunternehmen
zusammengeschlossen; Kiew will mit ihm „eine der mächtigsten
Verteidigungsindustrien der Welt“ schaffen“. Mehrere Unternehmen aus
anderen Ländern haben inzwischen begonnen, mit UkrOboronProm zu
kooperieren und etwa eine gemeinsame Munitionsproduktion aufzubauen
– dies allerdings außerhalb der Ukraine, beispielsweise in Polen, um vor
russischen Angriffen sicher zu sein. Rheinmetall kündigt nun für Juli ein
Joint Venture zum Bau gepanzerter Fahrzeuge an und plant darüber hinaus
Gemeinschaftsunternehmen zur Herstellung von Munition und von
Flugabwehrsystemen. In Berichten heißt es, mit einem breiten Spektrum
von – überwiegend – Rheinmetall-Waffen könne sich die Ukraine „gegen
russische Angreifer verteidigen“. Im Gespräch ist unter anderem die
gemeinsame Produktion des Kampfpanzers Panther.

UkrOboronProm

Die Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall ist nicht der erste westliche
Rüstungskonzern, der im Verlauf des Krieges eine enge Zusammenarbeit
mit UkrOboronProm eingegangen ist. Das ukrainische Konglomerat ist
erst 2010 gegründet worden – als Dachkonzern für mehr als hundert
ukrainische Rüstungsunternehmen, darunter der Flugzeughersteller
Antonow sowie mehrere Panzer- und Raketenbauer, die ihre Ursprünge in
der Regel noch in der Sowjetunion hatten. UkrOboronProm sollte der
maroden ukrainischen Rüstungsbranche auf die Beine helfen und ihre
Modernisierung vorantreiben. Dies gelang bislang nicht; auf der Rangliste
der weltgrößten Rüstungskonzerne, die das Stockholmer
Forschungsinstitut SIPRI regelmäßig publiziert, fiel das Unternehmen
zuletzt auf Platz 79. Zum Vergleich: Der deutsche Hensoldt-Konzern lag
auf Platz 69. Bereits vor knapp zwei Jahren beschloss das ukrainische
Parlament die Umwandlung des Staatskonglomerats in eine
Aktiengesellschaft, um eine Wende für die Branche herbeizuführen. Ein
entsprechendes Dekret hat die ukrainische Regierung am 21. März
beschlossen. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal erläuterte
dazu, Kiew wolle „eine der mächtigsten Verteidigungsindustrien der Welt
schaffen“.[1] Laut offiziellen Angaben zählt UkrOboronProm rund 65.000
Mitarbeiter.
Produktion im NATO-Ausland

Der Krieg hat zu desaströsen Arbeits- und Produktionsbedingungen für
UkrOboronProm geführt. Zahlreiche Fabriken sind durch russische
Angriffe schwer beschädigt oder gar völlig zerstört worden. Im März hieß
es zwar, dem Konzern sei es gelungen, rund 3.000 gepanzerte Fahrzeuge,
die in den Kämpfen gegen Russland beschädigt wurden, zu reparieren.
Dabei seien allerdings bis zu 95 Prozent aller Fahrzeuge von mobilen
Reparaturteams in Frontnähe instandgesetzt worden. Bereits im September
2022 schloss der US-Konzern Honeywell ein Kooperationsabkommen mit
UkrOboronProm. Ende 2022 wurde berichtet, Rüstungsfirmen aus sechs
Staaten hätten mit dem Konglomerat Verträge über gemeinsame
Entwicklung und Herstellung von schweren Waffen und von weiteren
Rüstungsgütern geschlossen. Genannt wurden Polen, Tschechien,
Frankreich und Dänemark.[2] Im Februar teilte UkrOboronProm nun mit,

man habe begonnen, gemeinsam mit einem Unternehmen aus einem
NATO-Staat Munition zu produzieren. Um welches Land es sich handelte,
ließ die Firma offen. Im April folgte eine Mitteilung, man kooperiere bei
der Munitionsherstellung nun auch mit dem Rüstungskonzern Polska
Grupa Zbrojeniowa. Laut UkrOboronProm wird die Fertigung, um eine
Zerstörung der Produktionsstätten durch russische Angriffe zu verhindern,
in Polen durchgeführt.[3]
Rheinmetall-Panzer in der Ukraine

In der vergangenen Woche hat Rheinmetall Berichte bestätigt, nach denen
die Düsseldorfer Waffenschmiede ebenfalls eine enge Kooperation mit
UkrOboronProm aufnehmen wird. Dabei wird zunächst ein Joint Venture
gegründet, das schon Mitte Juli operationsfähig sein soll. Rheinmetall wird
mit 51 Prozent die Mehrheit halten und zudem die unternehmerische
Führung innehaben. Das Rheinmetall-UkrOboronProm-Joint Venture soll
in einem ersten Schritt Militärfahrzeuge instandsetzen, insbesondere
solche, die aus der EU bereitgestellt wurden.[4] Langfristig wollen die

beiden Konzerne mit ihrem Gemeinschaftsunternehmen auch Rheinmetall-
Panzerfahrzeuge in der Ukraine produzieren. In Berichten heißt es, dabei

könne man mit dem Radpanzer Fuchs beginnen, der als Transportpanzer
oder auch als Kommandoeinheit genutzt werden könne.[5] Ihm folgen
könnten der Schützenpanzer Lynx (KF41) sowie der neue Kampfpanzer
Panther (KF51). Insbesondere eine Produktion des Panther in der Ukraine
wird in Branchenkreisen als Coup mit weitreichender Bedeutung für
Rheinmetall eingestuft. Der Konzern hat das Fahrzeug als möglichen
Nachfolger für den Leopard 2 entwickelt und konkurriert mit ihm gegen
das deutsch-französische MGCS, das von Krauss-Maffei Wegmann
(KMW) in Kooperation mit Nexter aus Frankreich entwickelt wird.[6] Mit
der Ukraine hätte Rheinmetall einen ersten Großkunden – ein bedeutender
Konkurrenzvorteil.
Munition und Flugabwehrsysteme

Dabei wird sich die Kooperation zwischen Rheinmetall und
UkrOboronProm nicht auf die Produktion gepanzerter Fahrzeuge
beschränken. Geplant sind zwei weitere Joint Ventures, die ebenfalls in
Kürze gegründet werden und Munition bzw. Flugabwehrsysteme fertigen
sollen. Rheinmetall ist zwar vor allem für seine Beteiligung an der

Herstellung des Leopard sowie weiterer gepanzerter Fahrzeuge bekannt,
hat aber zuletzt stark in die Entwicklung neuer Flugabwehrsysteme
investiert. Dazu zählen moderne Systeme, die nicht nur Drohnen jammen
und elektronische Tarnmittel nutzen, sondern auch andere, die anfliegende
Geschosse mit Lasern oder mit einem Nebel aus Wolframsplittern
zerstören.[7] Die Ukraine wäre nicht nur ein dankbarer Abnehmer
derartiger Flugabwehrsysteme. Deren Installation in dem Land könnte sich
für Rheinmetall als PR-Erfolg erweisen. Russland hat gedroht, sollte der
deutsche Konzern noch während des Krieges eine Panzerfabrik in der
Ukraine errichten, würde sie umgehend zerstört. Rheinmetall hält dagegen
und erklärt, man könne die Fabrik mit eigener Technologie, mit der man
etwa auch Feldlager regulärer Streitkräfte gegen potenzielle Angriffe
abschirme, erfolgreich schützen. Sogar bei der Installation der
Flugabwehrsysteme nach Kriegsende wäre der Maßnahme wohl große
internationale Aufmerksamkeit gewiss.
„Das Land verteidigen“

Mit den neuen Rheinmetall-UkrOboronProm-Joint Ventures zeichnet sich
ab, dass das deutsche Unternehmen zu einem der wichtigsten Ausrüster der
ukrainischen Landstreitkräfte werden könnte. „Gedeckt von einer mobilen
Flugabwehr und Artillerie“ aus dem Hause Rheinmetall „könnten
Infanterie und Panzerverbände“, gleichfalls von Rheinmetall gefertigt,
„das Land gegen russische Angreifer verteidigen“, heißt es in einem
Bericht: Mit Hilfe der Düsseldorfer Waffenschmiede erhielte die Ukraine
eine rüstungsindustrielle Basis auf modernstem Niveau, um ihre
Streitkräfte zu einem guten Teil eigenständig mit High-Tech-Waffen
auszustatten.[8] Bei Rheinmetall heißt es ergänzend, es könnten zudem in
der Ukraine gemeinsam produzierte Waffen, so etwa der Kampfpanzer
Panther, gewinnbringend in Drittstaaten exportiert werden. Die Planungen
sind geeignet, den weiteren Aufstieg von Rheinmetall in der globalen
Rüstungsbranche zu forcieren. Zudem eröffnen sie Optionen für den schon
vor Monaten auch in westlichen Hauptstädten erwogenen Fall, dass der
nahende US-Wahlkampf der Biden-Administration Verhandlungen über

eine Beendigung der Krieges ratsam erscheinen lässt und eine NATO-
Mitgliedschaft der Ukraine nicht durchsetzbar ist (german-foreign-
policy.com berichtete [9]). Gewaltige Aufrüstung gemäß NATO-Standards

wäre womöglich ein Beitrag zu den Sicherheitsgarantien, die Kiew
verlangt.

[1] Illia Ponomarenko: Ukraine’s state defense conglomerate UkrOboronProm transformed into
stock company. kyivindependent.com 29.03.2023.

[2] Ukroboronprom and six Nato nations to jointly produce military equipment. army-
technology.com 21.11.2022.

[3] Ukraine, Poland to produce Soviet-era tank shells together. news.yahoo.com 06.04.2023.

[4] Strategische Kooperation in der Ukraine: Rheinmetall und Ukroboronprom vereinbaren
Zusammenarbeit. rheinmetall.com 13.05.2023.

[5] Larissa Holzki, Martin Murphy: Rheinmetall repariert und baut Panzer in der Ukraine – Aktie
legt zu. handelsblatt.com 12.05.2023.

[6] S. dazu Der Panthersprung nach Kiew und Eine neue Epoche der Konfrontation.

[7] Rüdiger Kiani-Kreß, Max Biederbeck-Ketterer: Warum Rheinmetall eine Fabrik in der Ukraine
baut. wiwo.de 15.05.2023.

[8] Larissa Holzki, Martin Murphy: Rheinmetall repariert und baut Panzer in der Ukraine – Aktie
legt zu. handelsblatt.com 12.05.2023.

[9] S. dazu „Untragbare Opfer“ und Nach der Offensive.

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