Lernresistente Hardliner „der Wissenschaft“ fordern weiterhin, dass Ungeimpfte ihre Behandlungskosten selber zahlen sollen.
Mittlerweile dürfte es der Letzte im totesten Winkel Deutschlands mitbekommen haben:
Die Coronaimpfungen schützen weder vor der Krankheit noch vor der Intensivstation. Unzweifelhaft führten sie zu einer bis heute nicht untersuchten Zahl von Todesopfern und schwer Geschädigten.
Man möchte meinen, das Thema Impfzwang sei nun ein für alle Mal vom Tisch. Doch Fehlanzeige: Eine kleine Gruppe von „Experten“, die sich für „die Wissenschaft“ hält, kämpft auf dem Wissensstand von vor Jahren einsam weiter.
Man staunt: Die Plattform gesundheitsrecht.blog, nach eigenen Angaben eine von Rechtsprofessoren der Universität Bochum betriebene „wissenschaftliche Veröffentlichungsplattform“, publizierte am 20. Februar 2023 einen Artikel mit der Überschrift „Mehr Eigenverantwortung in der GKV: Beteiligung Nichtgeimpfter an den Kosten ihrer Covid-19-Behandlung“. Zuerst berichtete das Portal corodok.de darüber.
Ja, Sie haben richtig gelesen: Der „Kampf“-Artikel gegen Ungeimpfte der beiden Autorinnen Frauke Brosius-Gersdorf und Nicole Friedlein, einer Lehrstuhlinhaberin für öffentliches Recht an der Universität Potsdam und ihrer wissenschaftlichen Hilfskraft, ist tatsächlich aktuell. Der Inhalt ist es weniger: Das Dokument scheint aus der Zeit gefallen. Der Leser fühlt sich zurückversetzt in die Ära von „2G“, als allerlei „Experten“ ihren Bestrafungsfantasien gegen Ungeimpfte in deutschen Medien freien Lauf ließen. Doch der Text ist wohl ernst gemeint. Eine Fehlinformation jagt darin die nächste.
Fake News in Dauerschleife
Das Pamphlet ist eine Art Leitfaden dafür, wie die Politik ungeimpfte Versicherte für etwaig anfallende Behandlungskosten bei einer Coronaerkrankung zur Kasse bitten könnte. Ein Déjà vu: Vor einem Jahr überboten sich Protagonisten wie die Kassenärztliche Vereinigung Berlin, der Präsident des Bundessozialgerichts Rainer Schlegel und Focus-Autor Christoph Sackmann nur so mit derlei erpresserischen Forderungen.
Die Autoren bemühen in bekannter heuchlerischer Weise das sogenannte Solidarprinzip, dessen Kernbestandteil die „Eigenverantwortung“ sei. Angeblich belaste, wer nicht gegen Corona geimpft sei, das deutsche Gesundheitssystem viel stärker als Geimpfte.
Diese krude These wurde zwar häufig postuliert ― ist aber bis heute nicht mal ansatzweise wissenschaftlich untermauert.
So schwurbeln sie ― man kann es nicht mehr anders ausdrücken ― die Glaubenssätze der Hardliner von 2021 auf und ab: Die Impfung biete „einen sehr guten Schutz vor Hospitalisierung, intensivpflichtiger Behandlung und dem Tod“, heißt es zum Beispiel. Dabei ist längst bekannt, dass der Anteil Geimpfter in Kliniken in etwa dem in der Bevölkerung entspricht ― die Impfschäden, gern als „Long Covid“ deklariert, mal außen vorgelassen. Ungeachtet nicht vorhandener Evidenz schreiben sie weiter:
„Der Schutz vor einer Infektion ohne oder mit milder Symptomatik ist unter den Bedingungen der Omikron-Variante im Vergleich zu Delta zwar geringer und von kürzerer Dauer, er kann jedoch durch Auffrischungsimpfung verbessert werden.“ Wer sich nicht impfen lasse, lege „ein besonders gefährliches Verhalten an den Tag“.
Da stellen sich gleich viele Fragen, zum Beispiel: Wie oft sollte man sich denn nach Ansicht der Autorinnen auffrischen lassen, um nicht als „ungeimpft“ und „besonders gefährlich“ zu gelten? Alle drei Monate vielleicht? Man fasst sich ob der kruden Verschwörungswelt der Impfhardliner an den Kopf und kann nur hoffen, dass solche Pseudowissenschaftler niemals echte Macht bekommen.
Brosius-Gersdorf und Friedlein fantasieren anschließend etwa von „Hinweisen“ durch „erste Studienergebnisse“ darauf, dass die Spritzen angeblich „Long Covid“ reduzieren könnten. Da unter Long Covid alles Mögliche subsumiert wird, dies gelegentlich sogar mit Impfschäden passieren soll, ist die Evidenz bescheiden. Auch die Autorinnen und Autoren liefern eine solche nicht im Ansatz.
So zieht es sich durch den gesamten Text: Seit Jahren widerlegte Behauptungen, merkwürdige Glaubenssätze, juristische Verrenkungen und ganze Salven verschriftlicher Unterdrückungsgelüste bis hin zur Forderung, Ungeimpften sogar das arbeitsrechtlich verankerte Krankengeld zu verweigern, reihen sich nahtlos aneinander.
Den kompletten Wahnsinn kann sich jeder selbst durchlesen, darum gehe ich an dieser Stelle nicht ausführlicher darauf ein. Interessanter sind die Reaktionen von Lesern in der ― kurz nach der Publikation des Textes von offenbar verstörten Portalbetreibern wieder geschlossenen ― Kommentarfunktion.
Leser: „Wo leben Sie eigentlich?“
Die Leser sind sich ziemlich einig, dass es sich um Wahnsinn handeln muss. Einer beklagt, eine Beteiligung Ungeimpfter an den Behandlungskosten verstoße gegen das Solidarprinzip der Krankenversicherung, schränke ihr Grundrecht auf Freiheit ein und treibe die gesellschaftliche Spaltung und Stigmatisierung voran. Weitere Kommentatoren weisen auf den jüngst aufgeflogenen mutmaßlichen Betrug von Pharmakonzernen wie Pfizer bei den Zulassungsstudien für die mRNA-Präparate hin, womit Nebenwirkungen und Todesfälle offenbar verschleiert wurden. Ein anderer schreibt:
„Die Behauptungen (…) sind nicht evident und damit unsubstantiiert, da ein qualifizierter Vergleich ‚geimpft gegen ungeimpft‘ fehlt. Bis heute gibt es dazu in Deutschland keine Kohorten- und Panelstudien, ja nicht einmal die Erfassung des Impfstatus im Todesfall.“
Dem ist nur zuzustimmen. Den Irrsinn des unter dem Label „Wissenschaft“ prangenden Beitrags verdeutlichten weitere Leser mit einem Vergleich: Würde man Ungeimpfte aufgrund angeblicher Selbstverschuldung die Versicherungsleistung für eine Behandlung verweigern, müsse man mit Übergewichtigen, Rauchern, Alkohol- und Drogenabhängigen, Unfallverursachern oder Extremsportlern ähnlich verfahren. Wo fange man an und wo höre man auf?
Andere Leser berichten von anekdotischen Erfahrungen mit dauererkrankten geimpften Kollegen, Freunden und Bekannten, von diversen mutmaßlichen Impfschäden und schweren Verläufen bei Geimpften. Ein Nutzer resümiert:
„Wenn ich bestimmte Behandlungen selbst zahlen soll, weil ich eine freiwillige Impfung, die mir keinen Mehrwert bietet, ablehne, möchte ich auch nicht für Impfschäden, Impfdosen und was noch alles finanziert wurde, aufkommen.“
Eine weitere Kommentatorin bringt das, was wohl viele denken, auf den Punkt:
„Es ist schon erstaunlich, dass Sie ― nach all den derzeit wissenschaftliche belegten Daten und Fakten weltweit ― überhaupt so einen menschenverachtenden Vorschlag zur Diskussion stellen. (…) Wo leben Sie eigentlich?“
Unfug
Dass die Portalbetreiber die Kommentarfunktion unter dem als „Diskussionsbeitrag“ veröffentlichen Erguss nach nur 24 Leserbeiträgen geschlossen haben, verwundert nicht. Mit Widerspruch konnten die Pandemie- und Impfhardliner noch nie gut umgehen.
Wer etwa kritisierte, dass man Schulkinder täglich stundenlang unter Masken nötigte, Alte in Pflegeheimen wegsperrte und sogar alleine sterben ließ und Impfschäden kollektiv leugnet und ignoriert, wird bis heute übel in der Presse denunziert.
„Die Wissenschaft“ spielte dabei eine vordere Geige. Zu dieser „Wissenschaft“ gehören auch die Autoren und Portalbetreiber. Professorin Brosius-Gersdorf trommelte im März 2022 im Tagesspiegel lautstark für die Impfpflicht im Gesundheitswesen. Auch für eine allgemeine Impfpflicht hatte sie plädiert. In dem Ende 2021 von der Universität Leipzig veröffentlichten Papier präsentierte die Professorin sogar ein echtes Schmankerl. So schrieb sie:
„Eine allgemeine Impfpflicht dient dem Ziel, die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung zu schützen, vor allem derjenigen, die geimpft sind (…). Geimpfte können sich nicht selbst wirksam schützen, weil die Impfung nicht vor Impfdurchbrüchen bewahrt. Erkrankungen infolge von Impfdurchbrüchen verlaufen zu einem nicht unerheblichen Teil schwer und machen einen Klinikaufenthalt mit Intensivbehandlung erforderlich.“
Mit anderen Worten: Die Juristin behauptete damit allen Ernstes, die mRNA-Präparate könnten zwar Geimpfte nicht vor der Erkrankung schützen, nicht einmal ― man staunt ― vor einem schweren Verlauf. Aber wenn alle Menschen geimpft wären, würde man trotzdem die Übertragung des Virus stoppen.
Dabei war schon damals sicher, dass der postulierte Schutz vor Übertragung ins Reich der Fehlinformationen gehört. Das hatten reihenweise Ausbrüche auf „2G“-Partys, zum Beispiel in Münster und Berlin, zu diesem Zeitpunkt längst belegt.
Die Potsdamer Lehrstuhlinhaberin widersprach aber auch der damals geltenden Propagandathese. Denn rauf und runter war und ist zu lesen, die Spritzen schützten vor einem schweren Verlauf. Die Daten des DIVI-Intensivregisters hatten das schon damals widerlegt. Sie lag in diesem Punkt mal richtig. Doch Einsicht kann hier nicht vermutet werden. Selbstsicher hat Brosius-Gersdorf ihren Erkenntnisweg nun umgedreht. Wenn es ihrem Kampf gegen Ungeimpfte geht, schützen die Präparate plötzlich doch „sehr gut“ vor einem schweren Verlauf. Man sollte das Papier als das bezeichnen, was es ist: pseudowissenschaftlicher Unfug nach Bedarf.
Propagandist mit SPD-Parteibuch
Als lautstarkes Sprachorgan „der Wissenschaft“ für Politikberatung gebärdete sich in der Coronazeit die Leopoldina. Die „Nationale Akademie der Wissenschaften“ trumpfte regelmäßig mit Forderungen nach härteren Maßnahmen und einer Impfpflicht auf. Auch Portalbetreiber Stefan Huster gehört ihr an. In der Pandemie hatte er besonders viel zu sagen, er war auch Chef des Corona-Expertenrats der Bundesregierung.
Als solcher bekam er freilich in den Leitmedien, anders als die Kritiker diverser Maßnahmen, regelmäßig eine Plattform. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Phoenixplädierte er zum Beispiel Ende 2021 für die sogenannte Bundesnotbremse inklusive „2- und 3G-Regeln“ sowie für eine allgemeine Impfpflicht. Eindringlich verwies er auf die fragwürdigen Modellierungen des Robert Koch-Instituts (RKI), die sich nachträglich eher als fehlinformative Propaganda erwiesen haben.
Gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) betonte der „Verfassungsrechtler“ mit SPD-Parteibuch, Nachteile für Ungeimpfte seien notwendig und rechtlich akzeptabel. Jüngst feilte er mit an der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (ebenfalls SPD). Die Partei Die Linke kritisierte, das Vorhaben löse das Grundproblem „profitorientierte Medizin“ nicht.
„Experten“ mit Freifahrtsschein zum „Schwurbeln“
Und wie es heute üblich ist, twittert Huster frei von der Leber weg über anekdotische Evidenzen und Glaubensfragen, etwa zur Coronaimpfung. Zensiert wie Tausende andere wurde er dort vermutlich auch vor der Übernahme der Plattform durch Elon Musk nicht.
Denn Huster gehört wie den Autoren des mit Fake News übersäten Papiers zum Klub der selbst ernannten Wahrheitsverkünder mit staatlicher Vollversorgung. Die Medien nennen sie „Experten“. Als solcher braucht man keine Evidenz, es reicht „Autorität“. Regierungsnähe ist der Freifahrtsschein zum Schwurbeln.
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