
2025 jährt sich der Deutsche Bauernkrieg zum 500. Mal – eines der radikalsten Ereignisse der deutschen Geschichte. Mit der brutalen Niederlage der aufständischen Bauern und der barbarischen Hinrichtung ihres Anführers Thomas Müntzer am 27. Mai 1525 wurde die Entwicklung einer demokratischen und nationalen deutschen Gesellschaft gewaltsam abgebrochen. Statt Fortschritt setzte sich der junkerliche Feudalismus durch, der eine spießige, obrigkeitshörige Mentalität prägte.

Von Heinz Ahlreip
27. April 2025
Das „Junkertum“ – im engeren Sinne die ostpreußischen Landtage, im weiteren die Klasse der deutschen Grundbesitzer – festigte seine Herrschaft. Bis heute zeigt sich ihr Erbe in der deutschen Gesellschaft: Das verächtliche Prinzip „nach oben buckeln, nach unten treten“ lebt in Bundeswehr, Polizei und anderen reaktionären Apparaten weiter. Solche Institutionen leiden naturgemäß nicht an körperlichen, sondern an geistigen „Bandscheibenvorfällen“.
Deutschland wurde zu einer Nation, die zu spät kam. Als die deutschen Bourgeois aufblühten, hatten die Bourgeoisien Frankreichs und Englands ihren Höhepunkt längst überschritten. Friedrich Engels beschreibt dieses Phänomen deutlich: Die deutschen Großbürger von 1870 handelten wie die Mittelbürger von 1525.
Karl Marx schildert die deutsche Misere eindrücklich in seiner Schrift Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie/Einleitung (1843/44):
„Ja, die deutsche Geschichte schmeichelt sich einer Bewegung, welche ihr kein Volk am historischen Himmel weder vorgemacht hat noch nachmachen wird. Wir haben nämlich die Restaurationen der modernen Völker geteilt, ohne ihre Revolutionen zu teilen.“
(Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, Werke, Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1960, S. 379)
Diese einmalige Rückständigkeit Deutschlands zeigt sich auch im Verhalten des deutschen Kleinbürgers, der sich sogar im Elend noch selbst bejubelt – ein erbärmliches Phänomen, das kein anderes Volk nachmacht. Die deutschen Konzentrationslager haben ihre Wurzeln tief in dieser historischen Entwicklung, wenn man die deutsche Geschichte als Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse begreift und nicht als schicksalhafte Laune.
Martin Luther – ein Wegbereiter der Reaktion
Eine verhängnisvolle Rolle spielte Martin Luther, der Gegenspieler Thomas Müntzers. Im Bauernkrieg rief Luther zur gnadenlosen Vernichtung der revolutionären Bauern auf:
„Drum soll hier zuschmeißen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und gedenken, dass nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann denn ein aufrührischer Mensch, gleich als wenn man einen tollen Hund totschlagen muss: Schlägst du nicht, so schlägt er dich und ein ganz Land mit dir.“
(Martin Luther, Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, 1525)
Sein autoritäres Denken geht noch weiter:
„Der Esel will Schläge haben, und der Pöbel will mit Gewalt regiert sein.“
(ebd.)
Marx analysiert die wahre Wirkung Luthers präzise:
„Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. […] Er hat den Menschen von der äußern Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum innern Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz in Ketten gelegt.“
(Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, Werke, Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1960, S. 386)
Wer heute die Wurzeln des deutschen Faschismus verstehen will, muss bis zu Luther und dem Scheitern der Bauernkriege zurückgehen.
Die Konterrevolution – ein deutsches Dauermuster
Auch die Konterrevolution von 1989/90 in der DDR folgt diesem Muster. Lutheraner wie Friedrich Schorlemmer spielten eine wichtige Rolle bei der ideologischen Entwaffnung des Volkes. Parolen wie „Schwerter zu Pflugscharen“ sollten die Bevölkerung ruhigstellen, während heute im Osten Deutschlands wieder massiv Bundeswehrtruppen stationiert sind.
Ein Symbol der Verdrehung der Geschichte ist die Entscheidung von 1990, Karl-Marx-Stadt wieder in Chemnitz umzubenennen – eine Hochburg der Nazis. Die aktuelle politische Lage spricht Bände: Im Februar 2025 erreicht die AfD 32,2 %, Gauland gewinnt die meisten Direktmandate, und in allen 39 Stadtteilen liegt die AfD bei den Zweitstimmen vorne.
Die Untertanenmentalität der Deutschen – geprägt durch Luther – ist tief verankert. Engels zieht 1870 in seiner Vorbemerkung zur zweiten Auflage von Der Deutsche Bauernkrieg eine Parallele zwischen 1525 und 1848: In beiden Fällen schlagen fürstliche Heere die lokalen Aufstände nacheinander nieder.
Engels erkennt 1875, dass Deutschland um 1900 vielleicht da stehen könnte, wo Frankreich 1792 war – ein Rückstand von über hundert Jahren. Tatsächlich aber ging der kapitalistische Konkurrenzkampf um 1900 in monopolistischen Imperialismus über, begleitet von einer politischen Reaktion auf der ganzen Linie, wie Lenin später beschrieb.
Die Niederlage der Revolution – eine Konstante
In Deutschland war die Konterrevolution stets der Sieger. Nach 1945 mündete die Niederlage nicht in eine Befreiung, sondern in die Adenauer-Ära, gekrönt vom KPD-Verbot 1956 – ein Schlag gegen jede demokratische Entwicklung.
Wie Engels schreibt:
„Hinter den kleinen Fürsten von 1525 standen sie an sich kettend durch die Steuer, die kleinen Spießbürger; hinter den großen Fürsten von 1850, hinter Österreich und Preußen sie rasch unterjochend durch die Staatsschuld, stehn die modernen großen Bourgeois, und hinter den großen Bourgeois stehn die Proletarier.“
(Friedrich Engels, Vorbemerkung zur zweiten Auflage 1870, Der deutsche Bauernkrieg, in: Marx/Engels: Ausgewählte Werke, Progress Verlag Moskau, 1975, S. 247)
Weder die österreichische noch die preußische Bourgeoisie waren in der Lage, eine konsequente Revolution zu vollenden. Engels beschreibt sie treffend:
„Diese Bürger verstehen nicht zu herrschen, sie sind ohnmächtig und unfähig zu allem, nur eins beherrschen sie: Gegen das Proletariat zu wüten, sobald es sich regt.“
Deutschland blieb ein schweres Terrain für Revolutionäre – geprägt von einer tief verankerten Rückwärtsgewandtheit und einer Gesellschaft, die noch immer mehr Mittelalter als Moderne kennt.
Die Erfahrung der Juni-Insurrektion 1848 in Paris zeigt jedoch: Nur das Proletariat ist die wirklich revolutionäre Klasse. Nach dem blutigen Aufstand gegen die Bourgeoisie hatte sich endgültig gezeigt: Die Trikolore war rot geworden – eingefärbt durch das Blut der Revolutionäre.
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