Die Gesetze des Klassenkampfes

Karl Marx in seinem Arbeitszimmer in London. Er verfasste gemeinsam mit Friedrich Engel das Kommunistische Manifest | ArchivPhoto

Wenn der Marxismus-Leninismus die wissenschaftliche Zusammenfassung der Klassenerfahrungen des Proletariats in seinem Produktions- und Lebenskampf beinhaltet, so kann die bürgerliche 48er-Revolution des 19. Jahrhundert noch keinen Einfluss auf das Kommunistische Manifest gehabt haben, denn dieses wurde kurz vor ihrem Ausbruch fertiggeschrieben.

 

Heinz Ahlreip – Autor I Redaktionsbeirat

Im Manifest wird als Gesetzmäßigkeit des Klassenkampfes festgehalten, dass dieser eine Stufe erreicht, auf der die Proletarier „die Feinde ihrer Feinde“ bekämpfen.
(Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke, Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960, 470)

In der Tat ist diese Abfolge des Klassenkampfes der bürgerlichen Revolution von 1789 in Frankreich entnommen.  

Der bürgerlich-mechanische, aus der cartesianischen Physik herrührende  Materialismus konnte sich im 18. Jahrhundert, das 90 Jahre ‘opferte‘, um eine klassische Revolution vorzubereiten, nicht zu einem endgültigen dialektisch-materialistischen durcharbeiten. Sein größtes Problem war, den Materialismus auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft anzuwenden. Zwischen Holbach, dem führenden Kopf des französischen Materialismus-Atheismus und dem historischen Materialismus von Karl Marx liegen Welten. So lesen wir in Holbachs ‘System sociale‘, das vor 1789 als wissenschaftliches Meisterwerk hochgehalten wurde: „Je nachdem, ob die Menschen gute oder schlechte Charaktereigenschaften haben, bringen sie gute oder schlechte politische Systeme hervor“
(Holbach, Systeme sociale, Volume I, Amsterdam, 1774,214f.)
– ein Satz, der nicht gerade für Holbachs Virtuosität auf dem Feld der Politik spricht. Holbach ist einer der wenigen, die sogar noch im Titel das bereits in Kreisen der Aufklärung abgewertete Wort ‘System‘ zur Anwendung bringen. Den französischen Aufklärern ging es wissenschaftsgeschichtlich primär um eine neue Methode, während es der Reaktion um die Systemerhaltung ging. Dass das Verhältnis zwischen Methode und System oppositionell wird, zeigt die spaltende Heraufkunft einer gesellschaftlichen Veränderung an.

Da dem mechanischen Materialismus die Anwendung des Materialismus auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft nicht in einer wissenschaftlich befriedigenden Tiefe gelang ließ ihn immer wieder in die rechte Gefahr rutschen, zum Idealismus abzugleiten, besonders bei der Analyse äußerst komplizierter Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens. Dem fortgeschrittensten Materialismus im 18. Jahrhundert, dem französischen, lastet an, dass er sich in einem sozio-ökonomisch ruralen Terrain zur Entfaltung bringen musste, das vom Produktionstechnischen her die Entwicklung der materialistischen, Zusammenhänge und Prozesse dynamisierenden Dialektik und des wissenschaftlichen Atheismus, bewusst von reaktionären Klassenkreisen gesteuert, behinderte. Am Beispiel der Religion im Umfeld von 1789 lässt sich das aufzeigen, zugleich, wie die Bourgeoisie als Minderheit gezwungen ist, die Revolution unter pseudorevolutionärer Phrase zu verraten.  

Als die Bourgeoisie noch nicht an der Macht war, konnte die Speerspitze des Atheismus nicht spitz genug sein, das atheistische Programm Baron Holbachs wurde gefördert; nach der Revolution hatte der Atheismus ausgedient, die atheistisch ausgerichteten ideologischen Vorbereiter der Revolution wurden besonders auch unter der Jakobinerdiktatur guillotiniert. Eine Atheistenverfolgung war das Resultat einer bürgerlichen Revolution! Die machthabende Bourgeoise muss als Minderheitsregime die richtige Balance finden, damit sich der Hass der Massen gegen die alten und gestürzten Minderheiten Adel und Klerus nicht gegen die neue Minderheit Bourgeoisie richtet.

Ein Wechsel von einem Minderheitsregime zu einem anderen ist ein Kennzeichen bürgerlich-politischer Revolutionen.  

Die große Masse der Bauern war gläubig, war noch nicht so weit wie der Baron Holbach und die anfangs atheistische Bourgeoisie verdrehte sich den Massen der Bauern nach dem Munde redend zu einer christlichen. Die Girondisten riefen den katholisch – und jesuitenfeindlichen Kirchenkritiker Voltaire herbei, um nach seiner Vorgabe die Religion als Steuerungsinstrument des Pöbels einzusetzen, gerade zu diesem Zweck müsse man Gott erfinden sollte er nicht existieren, hatte der Weise von Ferney in einem Brief vom 10. November 1770 an Saurin vorphilosophiert, die Jakobiner riefen den Deisten Rousseau herbei, der einen Atheisten als einen würdelosen Menschen betrachtete. Wollte Voltaire durch Religion Plünderungsexzesse des Pöbels verhindern, so Rousseau Ausbeutungsexzesse der Reichen durch in Religion begründeter Reue. Es muss in beiden Fällen eine Bestrafung im Jenseits geben.

Die französische Revolution riss zwar die sozialen Wurzeln der Religion aus dem Boden des Feudalismus heraus, die verbleibende Ausbeutung der Massen unter kapitalistischen Konditionen aber pflanzte die Wurzeln für neues Religionsunkraut ein.

Nur der Atheismus stand der Konterrevolution im Wege. Kurz: Die bürgerliche Revolution fraß die Kinder der atheistisch-bürgerlichen Aufklärung.  

Diese Bewegung sehen wir immer wieder, die Bourgeoisie muss die Massen zwecks Machteroberung auch ideologisch bewaffnen, danach ist die Entwaffnung der Arbeiterklasse das erste Gebot des neuen Bourgeoisregimes.  Das ist, siehe oben, eine Gesetzmäßigkeit des Klassenkampfes. In der Tat sind atheistisch bedingte gesellschaftliche Erschütterungen ab 1789 nur peripher zu konstatieren. Am 8. Juni 1794 zündet Robespierre anlässlich des von ihm konzipierten ‘Fest des Höchsten Wesens‘ ein Standbild des Atheismus an. Die Bourgeoisie befand sich schon 1794 auf dem Höhepunkt der Revolution in der Zwickmühle: Krieg gegen die Feudalen, aber dazu brauchte sie das Landproletariat, dessen progressivsten Vertreter ein für sie gefährliches Lied sangen: ‘Friede den Hütten, Krieg den Palästen!‘ Engels schreibt 1891, dass es in jeder durch die Arbeiter erkämpften Revolution einen neuen Kampf gab, der mit der Niederlage der Arbeiter endigt.
(Vergleiche Friedrich Engels, Einleitung zu Karl Marx‘ ‘Bürgerkrieg in Frankreich‘ Ausgabe 1891, Werke, Band 17, Dietz Verlag Berlin, 1960,616) 

So weit war man allerdings 1794:

Die Bourgeoisie musste vorgaukeln, die Interessen der Massen des Volkes zu vertreten, um ihre Herrschaft über die Massen zu begründen. Sie bekämpfte die Religion, um den Massen Religion in ihrem prokapitalistischen Sinne predigen zu können. 

Das war umso einfacher, weil der vordialektische Materialismus ein Niveaugefälle zwischen natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen offenließ. 

Der Dreh- und Angelpunkt einer proletarischen Revolution besteht im Umdrehen der Gewehre. Und gerade diesen zu zerstören, das ist heute die Aufgabe des Opportunismus, dessen Ideologen die Würfel verdrehen. Die Saboteure der Volksbewaffnung seien die wahren Volksfreunde.

Nein, SPD und AfD sind keine Antipoden, sondern diese Parteien ergänzen sich: Die SPD ist der gemäßigte Flügel der AfD.

Lenin und Stalin haben uns nachdrücklich auf diese Gefährlichkeit der Gemäßigten hingewiesen. Ist denn nicht klar, dass nur derjenige, der zur Umkehr der Gewehre und damit zur Volksbewaffnung aufruft ein Volksfreund im Sinne der Pariser Commune sein kann? Solange es stehende bürgerliche  Heere gibt, solange ist das Proletariat gerade im Kontext des bürgerlichen (Notstands-)Rechts als vogelfrei gesetzt. Das bürgerliche Recht ist ein Klassenkriegswerkzeug, die Mehrheit des Volkes zum Abschuss durch sogenannte Elitetruppen freizugeben.

 

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Über Heinz Ahlreip 77 Artikel
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse.

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