„Die Geschichte warnt uns: Wächterräte sind der Anfang vom Ende.“

 

Was ich noch sagen wollte

Ein Kommentar von Heinrich Schreiber – 18. November 2024 |

 

 

Die Scholz-Regierung plant, kurz vor der Wahl noch einige angeblich dringend benötigte Gesetzesvorhaben durch das Parlament zu bringen. Sie rechnet (so SPD-Vorsitzende Saskia Esken) mit Zustimmung der erzreaktionären CDU/CSU. Darunter fallen die beiden Gesetzentwürfe, die in den Bundestagsdrucksachen 20/12977 und 20/12978 aufgeführt sind.

 

Professor Dr. Hansjörg Huber von der Hochschule Zittau/Görlitz bezeichnete diese in der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses als „Gesetz zur Schwächung der Opposition“. Klar, der Mann präferiert den bürgerlichen Parlamentarismus als höchste Form der Demokratie.

Der erste Entwurf, aufgeführt in Bundestagsdrucksache 20/12977, sieht eine Grundgesetzänderung vor, bei der die Artikel 93 und 94 überarbeitet werden sollen. Im neu vorgesehenen Artikel 94, Absatz 4, Satz 1 GG soll folgender Wortlaut stehen:

„Die Entscheidungen des Bundesverfassungs- gerichts sind für die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie für alle Gerichte und Behörden bindend.“

Artikel 79, Absatz 3 des Grundgesetzes legt fest, dass „eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch die … die in den Artikeln 1 und 20 verankerten Grundsätze berührt werden, … unzulässig“ ist. Diese sogenannte Ewigkeitsgarantie schützt nicht nur den Wortlaut der Artikel 1 und 20, sondern auch die dort festgelegten Prinzipien. Dazu gehören die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Artikel 1, Absatz 1), das Bekenntnis zu den Menschenrechten (Artikel 1, Absatz 2, in Anlehnung an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948), die unmittelbare Bindung der Grundrechte (Artikel 1, Absatz 3), das demokratische und soziale Staatsprinzip (Artikel 20, Absatz 1), die Volkssouveränität („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, Artikel 20, Absatz 2), die Gewaltenteilung (Artikel 20, Absatz 3) und das Widerstandsrecht (Artikel 20, Absatz 4).

Diese Prinzipien dienen als Schutzmechanismen gegen jede Form von totalitärer Herrschaft oder faschistischen Strukturen. Sie verhindern, dass autoritäre Kräfte die Macht an sich reißen, die Menschenrechte untergraben oder demokratische Institutionen zerstören können. Eine Verletzung oder Aufweichung dieser Grundsätze würde den Weg für faschistische Tendenzen ebnen, indem sie zentrale Säulen des Rechtsstaats und der Freiheit beseitigt. Die Ewigkeitsgarantie ist somit nicht nur ein juristischer Schutz, sondern ein Bollwerk gegen jede Bedrohung „demokratischer Werte“ und der Menschenwürde. Beides sind Werte, die im Faschismus allerdings keine Bedeutung haben.

 

Weiter in Richtung Faschismus: „das Verfassungsgericht als Wächterrat“

Es ist auffällig, in welchem Umfang die geplante Änderung die Grundprinzipien aus Artikel 20, Absätze 2 und 3 des Grundgesetzes (Volkssouveränität und Gewaltenteilung) berührt. Dabei ist es nicht notwendig, dass diese Grundsätze tatsächlich verletzt werden – bereits eine „Berührung“ reicht aus, ähnlich wie beim Handspiel im Fußball. Da ein Gericht, als Teil der dritten Gewalt, dazu ermächtigt werden soll, der Volksvertretung als erster Gewalt Vorgaben zu machen, ist die bürgerliche Gewaltenteilung eindeutig betroffen. Gleichzeitig wird auch der Grundsatz der Volkssouveränität infrage gestellt. Wenn laut Artikel 20, Absatz 2 GG „alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht“, darf keine Staatsgewalt von anderen Verfassungsorganen unabhängig vom Volk ausgehen, selbst wenn es sich nur um ein bürgerlich-parlamentarisches Gremium handelt.  Ein Gericht, das sich über eine Mehrheit im Parlament hinwegsetzen könnte, würde zur Quelle von Staatsgewalt werden, was nach Artikel 20, Absatz 2 GG untersagt ist.

Die geplante Regelung im neuen Artikel 94, Absatz 4 GG würde dem Bundesverfassungsgericht eine Machtfülle verleihen, die mit der eines Wächterrats wie in der Islamischen Republik Iran vergleichbar wäre. Die Parteien der Ampelkoalition verfolgen, wie bereits die faschistoiden Bemühungen der Vorgängerregierungen, mit diesem sogenannten „Oppositionsschwächungsgesetz“ letztlich das Ziel, eine grundlegend andere, faschistische Republik zu schaffen. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass statt eines religiösen Anführers bislang nur ein „woker“ Führer fehlt. Die DGB-Gewerkschaften als Arbeitervertretung, hat die sozialfaschistische SPD ja bereits in gebietender Hand.

Angesichts der bevorstehenden Neuwahlen bleibt für die regierenden, bourgeoisen Parteien keine Zeit mehr, um die handwerklichen Fehler im Gesetzesentwurf (soweit sie denn überhaupt aus Sicht der Herrschenden vorhanden sind) zu korrigieren. Die Ampelkoalition scheint befürchten zu müssen, dass sie im nächsten Bundestag keine Zweidrittelmehrheit, unter Einbeziehung der reaktionären CDU/CSU, mehr erreichen wird. Bei den prognostizierten Wahlergebnissen – etwa 30 Prozent für die Union, 15 Prozent für die SPD, 11 Prozent für die Grünen, 21 Prozent für die AfD, 8 Prozent für die BSW, 4 Prozent für die FDP, 3 Prozent für die Linke, 3 Prozent für die Freien Wähler und 5 Prozent für sonstige Parteien – würde das Kräfteverhältnis 56 : 29 stehen. Es geht hier also weniger um die Verteidigung demokratischer Prinzipien als um den Machterhalt der Ampelkoalition, die sich zukünftig wohl auf eine Koalition der „Kenia-Parteien“ (Schwarz-Rot-Grün) stützen müsste.

 

Die Devise lautet daher: Augen zu und durch!

Dabei scheint der Klassengegner fest darauf zu setzen, dass die Mainstream-Medien die verfassungsrechtlichen Bedenken entweder ignorieren oder verschweigen werden. Doch genau diese Haltung favorisiert das Szenario, autoritäre Strukturen zu begünstigen, indem sie demokratische Grundsätze wie die Volkssouveränität und Gewaltenteilung aushöhlt. Selbst, wenn es sich nur um „scheindemokratische“ Grundsätze handelt. Der Begriff Rechtsstaat, den die herrschende Klasse und ihre selbsternannten „demokratischen Parteien“ so gerne benutzen, erfährt langfristig eine Erosion und fördert die Öffnung für faschistische Tendenzen. Die Missachtung wenigstens grundlegender verfassungsrechtlicher und bürgerlicher Prinzipien zugunsten von Machtpolitik, schafft den  Nährboden für autoritäre, faschistoide und totalitäre Systeme. Unsere Beurteilung: „Der Faschismus geht vom Staat aus“ bekommt so immer wieder neue Bedeutung.

Natürlich muss man die Gesetzentwürfe laut Bundestagsdrucksachen 20/12977 und 20/12978 im historischen Kontext sehen. Die Gewaltenteilung nach Artikel 20, Absatz 3 GG hat in der BRD noch nie so richtig funktioniert. Schon unter Adenauer wurde die parlamentarisch, bürgerliche Demokratie zu einer Kanzlerdemokratie, die wir Kommunisten auch seinerzeit als bourgeoise Diktatur bezeichnet haben. 

Es müssen jetzt die Abgeordneten des 20. Bundestages entscheiden, ob sie „die Eier haben“, diesem Vorhaben zu widersprechen und diese bürgerlichen Rechte zu achten und zu schützen – oder ob sie sich von ihren Führern endgültig kastrieren lassen wollen. 

Die Fundamentalopposition aus AFD und BSW muss diese Frage aber offen ansprechen und auf die politische Tagesordnung setzen. Insofern ist der bürgerliche Parlamentarismus für uns Kommunisten eine Bühne der Agitation und Propaganda. Bei der AFD wissen wir, dass sie sich auf die Rolle des Verfassungsschutz seit längerem eingeschossen hat. Eigentlich ist sie ja für den „Starken Staat“. Aber die Diskussion um ein Parteienverbot, macht ihre Ablehnung opportun. Beim BSW wird es wohl wieder ausschließlich um Wahrung der bürgerlichen Demokratie gehen. Mehr ist nicht zu erwarten bei einer Partei, die lediglich den Kapitalismus etwas „aufhübschen“ will. 

Die volksfeindliche Ampelkoalition sollte sich korrekterweise fragen, ob sie tatsächlich die Auflösung des Bundestages anstrebt – oder ob es ihr lieber wäre, das Volk auszutauschen und ein neues zu wählen, das ihren Vorstellungen besser entspricht.

Daher in diesem Sinne und nicht vergessen:

Hoch die Faust und mutig vorwärts
dieser Staat muss zertrümmert werden

Euer 
Heinrich Schreiber

 

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Als inzwischen „Best Ager", ist die berufliche Vita schon etwas umfangreicher. Gelernter Photokaufmann, tätig als Werkzeug- und Kopierschleifer im Einzelakkord, aber auch viele Jahre als selbständig tätiger  Wirtschaftsberater waren Heinrich's beruflichen Herausforderungen. Bereits im Alter von 13 Jahren ist Heinrich mit Polizeigewalt bei einer Demonstration in der Kieler Innenstadt in Berührung gekommen. Hintergrund war der Schahbesuch 1967 in Berlin und die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg durch die Berliner Polizei. Das hat ihn sehr früh politisiert und seine zukünftigen Aktivitäten als Jugendvertreter und in der Gewerkschaftsjugend, in der Roten Garde Kiel/ML und später KPD/ML waren daraufhin logische Konsequenz. Heinrich ist Vater von vier erwachsenen Kindern und begleitet das politische Geschehen mit Berichten und Kommentaren aus marxistisch-leninistischer Sicht.

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