Die Abschaffung des Digitalen Briefgeheimnisses [1. Teil]

Die herrschende Klasse kommt dem Ziel, der totalen Überwachung immer näher. Das von ihnen selber geschaffene Grundgesetz wird hinter dem Vorwand, die Kinderpornographie zu bekämpfen, immer mehr ausgehebelt. So wird ein Überwachungssystem geschaffen, welches jederzeit problemlos und unbemerkt ausgedehnt werden kann. Erst Kinderpornographie, dann politische Gesinnung. Und so würden sich Regierungskritiker, politische Aktivisten, Sozialisten, Gewerkschafter und Kommunisten im Fokus der aktiven Überwachung befinden. Dafür müssten die Verantwortlichen nicht einmal mehr eine richterliche Anordnung einholen.

Derzeit werden alleine durch den Messangerdienst WhatsApp, im Schnitt mehr als 60 Milliarden Nachrichten verschickt – pro Tag. Und hier handelt es sich nur um einen Anbieter. Kaum eine Person wird sich dann noch der Überwachung entziehen  können, selbst wenn er bzw. sie wollte.

Wir Kommunisten werden dies Problem nicht ignorieren. Der Revolutionär beginnt heute mit einer Artikelserie zum Thema der Überwachung. Auch, wenn einige Gastartikel nicht aus marxistisch-leninistischer Sicht berichten, so sind ihre Informationen im Verbund hilfreich. Neben den Maßnahmen zur Disziplinierung, die wir gegenwärtig von unseren bürgerlichen Regierungen erfahren (Stichwort Corona-Virus), stellt das Bestreben nach Überwachung die größte Gefahr, für unsere bürgerliche Freiheit, dar. 

Heinrich Schreiber

 

01. Juni 2021 – Gastbeitrag |

NACHRICHTEN- UND CHATKONTROLLE

Die EU will private Chats, Nachrichten und E-Mails massenhaft, anlass- und unterschiedslos auf verdächtige Inhalte durchsuchen. Die Begründung: Strafverfolgung von Kinderpornographie. Die Konsequenz: Massenüberwachung durch vollautomatisierte Echtzeit-Chatkontrolle und damit die Abschaffung des digitalen Briefgeheimnisses. Am 26. Mai 2021 hat eine Mehrheit der Abgeordneten im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten dem Deal zum freiwilligen Einsatz der Chatkontrolle zugestimmt. Nun muss die Chatkontrolle noch durch das Parlament abgestimmt werden!

Wie ist es soweit gekommen?

Die Europäische Kommission hat 2020 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der es erlauben soll, alle privaten Chats, Nachrichten und E-Mails verdachtslos und flächendeckend auf verbotene Darstellungen Minderjähriger und Anbahnungsversuche (Kontaktaufnahme zu Minderjährigen) zu durchsuchen. Das heißt: Facebook Messenger, Gmail & Co sollen jede Kommunikation auf verdächtiges Text- und Bildmaterial scannen. Und zwar vollautomatisiert, durch den Einsatz von sog. ‘Künstlicher Intelligenz’ – ohne, dass ein Verdacht vorliegen muss. Meldet ein Algorithmus einen Verdachtsfall, werden alle Nachrichteninhalte und Kontaktdaten automatisch und ohne menschliche Prüfung an eine private Verteilstelle und weiter an Polizeibehörden weltweit geleitet. Die Betroffenen sollen nie davon erfahren.

Einige US-Dienste wie GMail und Outlook.com praktizieren diese automatische Nachrichten- und Chatkontrolle bereits. Verschlüsselte Nachrichten sind zurzeit noch ausgenommen. Die EU-Kommission will mit einem zweiten Gesetz aber bald alle Anbieter zum Einsatz dieser Technologie verpflichten. Dabei zeigt eine im März 2021 durchgeführte Umfrage, dass die Mehrheit der EuropäerInnen den Einsatz der Chatkontrolle entschieden ablehnt. (Detaillierte Umfrageergebnisse hier)

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Was hat das Ganze mit dir zu tun?

  • Alle deine Chats und E-Mails werden automatisch auf verdächtige Inhalte durchsucht. Nichts ist mehr vertraulich oder geheim. Kein Gericht muss diese Durchsuchung anordnen. Sie passiert immer und automatisch.
  • Falls die Maschinenprüfung anschlägt, werden deine privaten Fotos und Videos von Mitarbeitern von internationalen Konzernen und Polizeibehörden angesehen. Auch intime Nacktbilder von dir werden dann von unbekannten Menschen auf der ganzen Welt gesichtet, in deren Hände sie nicht sicher sind.
  • Flirts und Sexting werden mitgelesen, denn Texterkennungsfilter schlagen besonders häufig auf solche intimen Chats an.
  • Du kannst unschuldig in den Verdacht geraten, Material von Kindesmissbrauch zu verschicken. Denn die Bilderkennungsfilter sind bekannt dafür, dass sie auch auf völlig legale Urlaubsfotos mit Kindern am Strand anschlagen. 86% aller maschinell gemeldeten Verdachtsfälle erweisen sich als unbegründet, so die Schweizer Bundespolizei. 40% aller in Deutschland eingeleiteten Ermittlungsverfahren richten sich gegen Minderjährige.

„Die Trefferquote ist dabei sehr tief: «2020 trafen bei uns rund 8000 Meldungen ein», sagt Fedpol-Sprecher Florian Näf. «Strafrechtlich relevant waren davon zirka 14 Prozent.»”

(Quelle: Sonntagszeitung vom 14.03.2021, Seite 9)

 

  • Bei deiner nächsten Auslandsreise könnten dich große Probleme erwarten. Verdachtsmeldungen werden unkontrollierbar an Staaten wie die USA, wo es keinerlei Datenschutz gibt, weitergeleitet – mit unabsehbaren Konsequenzen.
  • Geheimdienste und Hacker können einfacher Zugriff auf deine privaten Chats und E-Mails erhalten. Denn sobald sichere Verschlüsselung für den Einsatz der Chatkontrolle ausgehebelt wird, ist die Tür offen zum massenhaften Auslesen deiner Nachrichten durch jeden, der die technischen Mittel dazu hat.
  • Das ist nur der Anfang. Ist die Technologie zur Nachrichten- und Chatkontrolle einmal etabliert, kann sie spielend leicht auch für andere Zwecke eingesetzt werden. Und wer garantiert, dass die Verdächtigungsmaschinen künftig nicht auch unsere Smartphones und Laptops kontrollieren?

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Der Zeitplan

Die  Trilog-Verhandlungen über den Gesetzentwurf, in denen Vertreter des Europäischen Parlaments mit den EU-Regierungen unter Beteiligung der EU-Kommission verhandeln, sind im Mai abgeschlossen worden. Die freiwillige Chatkontrolle kommt! Hier meine Pressemitteilung zum Verhandlungsergebnis.

Im Sommer 2021 will die EU-Kommission einen zweiten Gesetzentwurf vorlegen, der alle Anbieter von E-Mail-, Messaging- und Chatdiensten zur flächendeckenden und verdachtslosen Durchsuchung privater Nachrichten zwingen soll.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist die dauerhafte und flächendeckende automatisierte Analyse privater Kommunikation grundrechtswidrig und verboten (Abs. 177). Der Europaabgeordnete Patrick Breyer hat aus diesem Grund die US-Unternehmen Facebook und Google wegen Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung bei den Datenschutzbehörden angezeigt. Die ehemalige EuGH-Richterin, Prof. Dr. Ninon Colneric, hat das Verfahren der Chatkontrolle einer umfangreichen Analyse unterzogen und kommt in ihrem Rechtsgutachten (englisch) zu dem Ergebnis, dass die EU-Gesetzesvorhaben zur Chatkontrolle nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen und die Grundrechte aller EU-Bürger*innen auf Achtung der Privatsphäre, auf Datenschutz und auf freie Meinungsäußerung verletzen.

Anstehende Termine

  • 14. Januar 2021: Interne technische Verhandlungen des Europaparlaments
  • 15. Januar 2021: Technische Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament (Technischer Trilog)
  • 18. Januar 2021: Schattenberichterstatter-Treffen der Verhandler des Europäischen Parlaments
  • 19. Januar 2021: Interne technische Verhandlungen des Europaparlaments
  • 20. Januar 2021: Technische Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament (Technischer Trilog)
  • 25. Januar 2021: Schattenberichterstatter-Treffen der Verhandler des Europäischen Parlaments
  • 01. Februar 2021: Interne technische Verhandlungen des Europaparlaments
  • 05. Februar 2021: Interne technische Verhandlungen des Europaparlaments
  • 22. Februar 2021: Schattenberichterstatter-Treffen der Verhandler des Europäischen Parlaments
  • 23. Februar 2021: Zweiter Politischer Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament
  • 26. Februar  2021: Interne technische Verhandlungen des Europaparlaments
  • 01. März 2021: Schattenberichterstatter-Treffen der Verhandler des Europäischen Parlaments
  • 02. März 2021: Interne technische Verhandlungen des Europaparlaments
  • 08. März 2021: Schattenberichterstatter-Treffen der Verhandler des Europäischen Parlaments
  • 09. März 2021: Dritter Politischer Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament
  • 23. März 2021: Schattenberichterstatter-Treffen der Verhandler des Europäischen Parlaments
  • 25. März 2021:  Vierter Politischer Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament
  • 19. April: Interne technische Verhandlungen zwischen Europaparlament, Kommission und Rat
  • 28. April: Schattenberichterstatter-Treffen der Verhandler des Europäischen Parlaments
  • 29. April: Fünfter Politischer Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament
  • 26. Mai: Abstimmung über das Verhandlungsergebnis des Trilogs im Innenausschuss
  • Voraussichtlich im Juli/August 2021: Abstimmung im Europaparlament
  • Voraussichtlich Sommer 2021: Gesetzesvorschlag der Kommission zum verpflichtenden Einsatz der Nachrichten- und Chatkontrolle

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Hier geht es zum 2. Teil:

Die Abschaffung des Digitalen Briefgeheimnisses [1. Teil]

Erstveröffentlichung am 31. Mai 2021 auf Patrick Breyer
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Für den Inhalt dieses Artikels ist der Autor bzw. die Autorin verantwortlich.
Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung
der Redaktion des Magazins DER REVOLUTIONÄR handeln.
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