Der Parteienkampf zwischen Bolschewiki und Menschewiki bis zur Oktoberrevolution

Tagung zur Russischen Revolution. Lenin und die Bolschewiki | Photo: Archiv

Ein Beitrag zum 107. Jahrestag der Oktoberrevolution

 

Von Heinz Ahlreip, 30. Oktober 2024, 14:57 h | Die Geschichte der Gründung der Kommunistischen Partei Russlands, die unter Anleitung Lenins die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zum 1. Oktober 1949 (Gründung der Volksrepublik China) kampfstärkste und einzig erfolgreiche der Welt werden sollte, die es als einzige verstand, ab 1914 während des großen verheerenden Krieges den Internationalismus zu verteidigen, begann mit einem Missgeschick, wie denn die internationale Arbeiterbewegung auch mit einem anderen Missgeschick begann, dem kontraproduktiven Maschinensturm. Hinter politischen Parteienkämpfen, das sei vorweg bemerkt, verbergen sich Klassenkämpfe, so drücken auch Bolschewiki und Menschewiki verschiedene Klassen der damaligen russischen Gesellschaft aus: Die Arbeiterklasse und die armen Bauern durch die Kommunistinnen und Kommunisten und das Kleinbürgertum, dessen Spitze die Klasse an das Bürgertum band. Erst 1917 stellte sich der Sieg endgültig heraus und je bedeutender bis dahin die Partei Lenins wurde, desto unbedeutender wurden die Menschewiki. 

Im Jahr 1898 misslang vom ersten bis zum dritten März der Versuch, die zerstreuten sozialdemokratischen Organisationen zu einer einzigen Partei zu vereinen. Auf dem Gründungsparteitag trafen neun Delegierte zusammen. Obwohl weder ein Statut noch ein Programm erarbeitet werden konnte, ging diese Versammlung als der erste Parteitag in die Geschichte ein. Das erschien in diesem Jahr an der Schwelle zur imperialistischen Phase des Kapitalismus als weltgeschichtlich äußerst peripher, aber die Dialektik lehrt uns und legt uns anheim, einen entwicklungsfähigen Keim nicht aus den Augen zu verlieren. Denn ein zündender Gedanke kam alsbald: Mit Hilfe einer gesamtrussischen Zeitung, der ab 1900 erscheinenden ‘Iskra‘, gelang Lenin eine Kernkonzentration einer politisch-revolutionären  Kampfpartei. Der Kampf wurde zunächst nicht gegen die Menschewiki gerichtet, sondern gegen die Ökonomisten, die parteiverneinend in lokale Zersplitterung und Handwerklerei versumpften.

Der zweite Parteitag fand 1903 bereits mit einem Programm und einem Statut statt. Jetzt aber treten die Menschewiki auf, die sich neben den Bolschewiki als eine zweite Gruppe etablieren. Im Konflikt zwischen beiden ging es um Organisationsfragen, die Kleinbürger wandten sich gegen eine festgefügte, vor allem äußerst streng disziplinierten Partei. Die Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (B) spricht von einer verschwommenen, unorganisierten Nachtrabpartei.
(Vergleiche Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (B), Kurzer Lehrgang, Verlag Roter Morgen, Dortmund, 1978,68).

In der russischen Revolution von 1905 – 1907 zeigte sich der Gegensatz zwischen beiden gesonderten Gruppen in der Frage des bewaffneten Aufstandes deutlich: Die Leninisten sprachen sich für den bewaffneten Aufstand zum Sturz des Zarismus aus, die Menschewiki drosselten die Revolution, nahmen Partei für die liberale Bourgeoisie, dass sie der Hegemon sei und nur sie die Revolution anführen könne, die Arbeiter sollten der liberalen Bourgeoise gehorchen, an ein Bündnis mit den Bauern dachten sie nicht. Es zog sie klassenaturgemäß zum Bürgertum. Im Parlament sahen sie das Zentrum ihrer „Revolution“. Deutlicher kann sich die parlamentarisch-kompromisslerische Physiognomie von Agenten der Bourgeoisie in den Reihen des Proletariats kaum noch abzeichnen. Eine deutliche Spaltung in zwei Parteien unter einem Dach lag vor, ohne dass es zu diesem Zeitpunkt zu einem eklatanten Riss kam. Die Revolution wurde 1907 endgültig blutig niedergeschlagen, es setzte eine Zeit finsterster Reaktion ein, die sogenannte Stolypinsche Reaktion mit dem Zerfallen der oppositionellen kleinbürgerlichen Strömungen nach und nach im Gefolge. Die ganze politische Kunst bestand darin, illegale Arbeit mit legaler zu verbinden. Auch an dieser Aufgabe scheiterten die Menschewiki, sie sagten illegaler Arbeit den Kampf an und wurden daraufhin Liquidatoren genannt.  Die illegale Parteiarbeit, die in Zeiten finsterster Reaktion unbedingt notwendig war, sollte vernichtet werden. Sie versuchten eine eigene Reformpartei ins Leben zu rufen, die die fortgeschrittenen Arbeiter ‘Stolypinsche Arbeiterpartei‘ nannten. Endlich, im Januar 1912 kam es zur Prager Parteikonferenz der SDAPR (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands). So nannte sich die Partei jetzt, nachdem die Menschewiki aus der Partei hinausgesäubert worden waren. Im Klassenkampf dieser beiden Parteien unter- bzw. gegeneinander ist das ein entscheidendes Datum.

Schon im Januar 1912 wurde der Grundstein gelegt für den Sieg im Oktober 1917 unter dem Banner einer Partei des Leninismus.
(Vergleich a.a.O.,181).

Nach der bürgerlichen Februarrevolution 1917, die den Zarismus zu Fall brachte, stumpften die bereits eine bürgerliche prokapitalistische Partei repräsentierenden Menschewiki, beseelt vom Unglauben an die gerechte Sache der Arbeiterklasse, in den Sowjets die Mehrheit stellend, die Revolution ab, indem sie sie auf ein bürgerliches Niveau drosseln wollten, das Privateigentum an den Produktionsmitteln sollte nicht angetastet, der verbrecherische imperialistische Krieg fortgesetzt werden. Vor den Verfechtern der Überleitung der bürgerlichen Revolution in die sozialistische, Lenins Aprilthesenkonzept, stand eine gewaltige Aufgabe: Durch Aufklärung, durch einen Kampf um die Köpfe, den Einfluss der Menschewiki zu dem einer Minderheit, den Einfluss der Bolschewiki zu dem einer Mehrheit umzukehren. Das gelang bekanntlich, so dass in der Weltgeschichte das Kapitel der Diktatur des Proletariats aufgeschlagen werden konnte. Die Zeit nach der Oktoberrevolution zeigt die Menschewiki auf Seiten der Konterrevolution, sie arbeiten als Handlanger des russischen und internationalen Kapitals am Sturz der proletarischen Diktatur der Arbeiter (ab 1917) und der Bauern (ab 1918). Die Menschewiki besaßen vor der Oktoberrevolution noch einen Einfluss in der Arbeiterklasse, durch ihren weißgardistischen Terror aber standen sie nun vor den Massen für alle sichtbar als Volksfeinde dar.

„Die Periode des Bürgerkrieges und der Intervention war die Periode des politischen Untergangs dieser Parteien und des endgültigen Triumphs der Kommunistischen Partei im Sowjetlande“.
(a.a.O.,308).

So erschöpfte sich das eine Dialektik von Revolution und Konterrevolution beinhaltende Kriegsverhältnis zwischen der Kommunistischen Partei und den nichtkommunistischen kleinbürgerlichen Parteien historisch, die Dialektik zwischen Revolution und Konterrevolution bekam schwerpunktmäßig ein qualitativ neues Betätigungsfeld innerhalb der aus dem Bürgerkrieg einzig siegreich hervorgehenden Partei. Am 30. Dezember 1922 wurde die Sowjetunion gegründet, nachdem der letzte japanische Okkupationssoldat das Territorium Russlands verlassen hatte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien waren bedeutungslos geworden. Sylvester 1922  markiert Lenins Aussage, dass die Dialektik der Geschichte die Feinde des Marxismus zwingt, sich als Marxisten zu verkleiden – ab dem Jahresswechsel 22/23 innerhalb der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Der Klassenkampf endet nicht mit der Diktatur des Proletariats.

 

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Dieses OnlineMagazin Der Revolutionär stellt kommunistische Weltanschauung zur Diskussion. Leider ist die bestehende Sichtweise über den Weg zum Sozialismus vielfach verfälscht, gelegentlich auch revisionistisch unterwandert und hat mit einer kommunistischen Ideologie wenig, gelegentlich auch gar nichts mehr zu tun. Viele Autoren, auch die Redaktion, befinden sich heute, durch unsere Altersstufe bedingt, im Ruhestand. Wir alle möchten aber unsere Erfahrungen als frühere „Parteikader“ weitergeben. Diese haben wir in der marxistisch-leninistischen Parteiarbeit und politischen Auseinandersetzung der 1970er und 80er Jahre gesammelt. Meinungsartikel und Gastbeiträge – auch wenn sie gelegentlich von der Meinung der Redaktion abweichen –  sorgen für ein breites Meinungs- und Informationsspektrum.

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Über Heinrich Schreiber 168 Artikel
Als inzwischen „Best Ager", ist die berufliche Vita schon etwas umfangreicher. Gelernter Photokaufmann, tätig als Werkzeug- und Kopierschleifer im Einzelakkord, aber auch viele Jahre als selbständig tätiger  Wirtschaftsberater waren Heinrich's beruflichen Herausforderungen. Bereits im Alter von 13 Jahren ist Heinrich mit Polizeigewalt bei einer Demonstration in der Kieler Innenstadt in Berührung gekommen. Hintergrund war der Schahbesuch 1967 in Berlin und die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg durch die Berliner Polizei. Das hat ihn sehr früh politisiert und seine zukünftigen Aktivitäten als Jugendvertreter und in der Gewerkschaftsjugend, in der Roten Garde Kiel/ML und später KPD/ML waren daraufhin logische Konsequenz. Heinrich ist Vater von vier erwachsenen Kindern und begleitet das politische Geschehen mit Berichten und Kommentaren aus marxistisch-leninistischer Sicht.