VW-Warnstreik in Hannover-Stöcken am Montag dem 02.12.2024

Zum ersten Mal seit acht Jahren hat die IG Metall Beschäftigte bei VW zum Warnstreik aufgerufen - gleichzeitig an neun Standorten bundesweit | Photo: Videoscan YouTube

Am 2. Dezember 2024 begann pünktlich um zehn Uhr ein Demonstrationszug im VW-Werk Stöcken in Hannover. Der Protest fand im Rahmen VW-weiter Streiks in der Bundesrepublik Deutschland statt.

 

Unter dem Motto „Ganz VW steht still“ setzte sich die Demo ab Tor 3 in Bewegung. Bei teilweise sonnigem Herbstwetter nahmen etwa 5.000 Personen daran teil. Zu den Demonstrierenden schlossen sich auch Auszubildende aus Hannover-Langenhagen und Arbeiter aus dem Werk Hannover-Limmer an. Nach einem 25-minütigen Fußweg erreichte der Zug den Stöckener Marktplatz, wo er sich staute.

Rote IGM-Schals und Brezeln wurden kostenlos verteilt. Dort fand die IG-Metall-Großveranstaltung bis 11 Uhr 30 statt, um nach der Beendigung der Demo privat zum Werk des größten Autobauers Europas zurückzumarschieren. Aus Solidarität waren Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erschienen und Senioren der IG-Metall. Der Stöckener Marktplatz war gerammelt voll. Allerdings vom Management war niemand zu sehen. Schon im Vorfeld, am Sonntag dem ersten Dezember hatte IG-Metallverhandlungsführer Thomas Gröger davon gesprochen, dass es, wenn nötig zum größten Tarifkampf kommen könnte, den VW je gesehen habe. (Vergleiche FAZ, 2.12.24, S.1). Lahmende Autoindustrie in Zeiten der Doppelproduktion von Verbrennern und Elektroautos, das sind die äußeren Rahmenbedingungen des sich abzeichnenden größten Tarifkonflikts in der Geschichte von Volkswagen.

Vorneweg war auf einem großen Transparent zu lesen: ‘Hannover, das sind wir, der Bulli der bleibt hier‘. Dieser Transporter wird derweil in der Türkei gebaut. Trillerpfeifen veranstalteten ein Großkonzert. Zwischen einem Meer aus roten Gewerkschaftsfahnen blickte wieder ein Transparent hervor: ‘Ihr wollt Streit – wir sind bereit!‘

1908 wurde im feudalen Russland der Zarenzeit der Lohn um 10 % gekürzt, das versucht der VW-Vorstand 2024/2025 im hochimperialistischen Deutschland erneut, als hätte es 116 Jahre an der Lohnfront keinen Fortschritt gegeben. Es bestätigt sich eine Schlussfolgerung von Marx aus der Niederlage der Pariser Commune, dass der Bourgeois die Position des Feudalherrn angenommen habe.

‘VW-Umweltverbrechen hart bestrafen‘ stand auf einem Plakat. Die Linke verteilte Flugblätter, von den SPD-Bonzen war niemand zu sehen und der kleine MLPD-Stand bekam Ärger mit einem führenden Gewerkschaftsmitglied, weil er sich entgegen der Absprache zu dicht hinderlich an den Straßenrand platziert hatte.

Im Mittelpunkt stand die Kahlschlagspolitik am Standort Deutschland in der Automobilindustrie, dem Herzstück der deutschen Wirtschaft, an dem alles andere hängt. Ein Redner der Metallgewerkschaft sprach von einer Kriegserklärung der Arbeitgeber, es gelte, zehn Standorte in Deutschland zu verteidigen. Drei sollen geschlossen werden, die Kürzungen an Mitarbeitern in anderen Standorten sollen teilweise bis zu 50 % gehen. Er forderte eine Ausbildungsvergütung von 170 € und eine Lohnerhöhung um 7 %. Nach seiner Meinung hätte die Tarifrunde schnell abgeschlossen werden können. Die Millionäre an der VW-Spitze hätten gravierende Fehler gemacht. Diese Fehler hätten zu einer Schädigung der Marke geführt. Besonders betroffen seien die Zeitarbeiter und Auszubildenden, deren Zahl reduziert werden solle. Auch die Beschäftigungsgarantie leide unter diesen Entscheidungen. Wir können die Zukunft-Gestaltung nicht den Managern überlassen. Die Bonuszahlungen an unfähige Manger müssen eingestellt werden, ein neues Entgeltgruppensystem ist vonseiten der Gewerkschaft auf den Tisch gelegt worden, der sogenannte Masterplan des Gesamtbetriebsrates, bisher ohne Reaktion aus den Vorstandssesseln. Wir werden sehen, am 9.12. findet die nächste Tarifverhandlung in Wolfsburg statt. Redner betonten, dass die IG Metall die mächtigste Gewerkschaft der Welt sei: Wir können mehr als nur Warnstreiks! Der Januar wird der heißeste Januar in der Geschichte des Werkes werden, nicht nur das, es wird zu Arbeitskämpfen kommen, die diese Republik noch nicht gesehen hat.

Immer wieder brandete Applaus auf. WIR SIND VW, tönte es mehrmals lautstark, wir erwirtschaften den Profit, nicht die Löhne sind das Problem, das Management stellt die Profite höher als die Menschen. Das sind Aussagen, Erkenntnisse, die in die richtige Richtung drängen, aber bis zur Bewaffnung der Arbeitergarden, um Profite zu killen, ist es noch weit. Eher lief heute alles darauf hinaus, dass im Artikel 14 des GG steht, dass Eigentum verpflichtet. Klassenbewusste Arbeiter lassen sich diesen Bären nicht aufbinden. Diese Pflicht hat nie existiert, das bürgerliche Eigentum genießt doch gerade Narrenfreiheit in unserem perversen Dreckssystem, das im Tenor des Kommunistischen Manifestes in die Luft gesprengt werden muss. Im Manifest heißt es, dass der ganze offizielle Überbau der bürgerlichen Gesellschaft in die Luft gesprengt werden muss. Das sollte ein Standardsatz bei jedem Streik sein.

Die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Fragen wurde thematisiert, aber das ist eine unzulässige Illusionsstreuung. Auf dem Papier mag das gut aussehen, aber die grausame Realität ist doch eine ganz andere, bittere, entgegengesetzte. Die VW-Belegschaft sind keine Produktionsmitteleigner, sondern pure nackte Lohnsklavinnen und Lohnsklaven, „die nur so lange leben, als sie Arbeit finden und die nur solange Arbeit finden, als ihre Arbeit das Kapital vermehrt“. 2. Was soll der Satz aus dem Munde eines Gewerkschaftskaders: ‘Wir sind der größte Arbeitgeber in Deutschland‘. Das ist eine Selbsttäuschung und Täuschung der Zuhörer in einem. Unserer Klasse sind doch die Produktionsmittel geraubt worden. Im nächsten Satz kam Sinnvolleres: ‘Millionen sind stärker als Millionäre‘, aber ist hinzuzufügen: Wenn Kombination sie vereint und Kenntnis des wissenschaftlichen Sozialismus sie leitet. Weiter ging es: ‘Wir lassen uns die Unverschämtheiten des Unternehmens nicht gefallen‘. Das blieben aber heute auf dem Marktplatz nur Worte, es wurden keine konkreten Handlungsanweisungen ausgegeben, nur die Forderung, die Militärausgaben nicht ständig zu erhöhen.

Im Redebeitrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wurde betont, dass in den Schulen aufgeklärt werden muss, dass es die Kapitalisten sind, die den sozialen Frieden stören. Die Lehrer brauchen die Rückenstärkung durch die IG Metall. Auf einem Flugblatt der Linken/Niedersachsen wurden Illusionen verbreitet: Im heutigen kapitalistischen System, also auf der Grundlage des Privateigentums an den Produktionsmitteln könne es gelingen, Mitbestimmung auch in wirtschaftlichen Entscheidungen durchzusetzen …. Ja Ja Artikel 14 GG.

Am widerwärtigsten in diesem Flugblatt ist wohl dieser Satz:

‘Die Regierung muss … endlich handeln, und Milliarden investieren in den sozial-ökologischen Umbau der Industrie und gute Jobs, damit gute Arbeit und echter Klimaschutz Hand in Hand gehen‘.

Als ob es im Kapitalismus ‚gute Jobs und gute Arbeit geben könnte‘. Arbeiten im Kapitalismus bedeutet das Gegenteil ihrer idealistischen Bestimmung. Hegel konnte immer schon gut formulieren: Die Arbeit ist gehemmte Begierde, aufgehaltenes Verschwinden oder sie bildet. Das ist viel zu abstrakt, um auf bisherige ökonomische Gesellschaftsformationen angewandt zu werden. Ein bürgerliches Ideal und bürgerliche Ideologen haben auch dem Marxismus bestimmte Ideen angedichtet. Sie behaupteten, inspiriert von Hegel, dieser sehe die Emanzipation durch Arbeit als möglich an. Zudem wurde suggeriert, dass sich der Arbeiter im Kapitalismus als Gebildeter emanzipieren könne. Der kapitalistische Produktionsprozess wurde dabei wie ein Oberlehrer des Volkes dargestellt. Ähnlich sei die Terror-Bundeswehr als Schule der Nation gedacht.

Bildete Sklavenarbeit? Bildete Leibeigenschaftsarbeit? Bildete und bildet Lohnarbeit? Am Ende müsste der blutgesaugte Malocher dem Kapitalsten noch Bildungsentgelt überweisen. Im Gegenteil: Die sogenannte moderne Arbeit zerstört den Menschen. Sie reduziert ihn im Arbeitsprozess zu einem Teilwesen. Der Mensch wird auf eine bestimmte Tätigkeit fixiert und dadurch verkrüppelt. Diese Arbeit ruiniert ihn sowohl körperlich als auch psychisch. Sie fördert eine einzelne Seite seiner Persönlichkeit und lässt andere verkümmern. Gleichzeitig entwürdigt und entmenschlicht sie ihn. Arbeiten beinhaltet Arbeiten für andere, für Parasiten beinhaltet den völligen Verlust des Menschen. Lohnsklaverei ist das passende Wort, der Bruch mit Hegel: Nur der Profit zählt, er stampft sich alles unter, das Volk, die Würde, die Demokratie, die Republik, die Verfassung, in der wie zum Hohn steht, dass Eigentum verpflichtet, es kann keine Menschlichkeit von der perversen kapitalistischen Terrorklasse ausgehen. Der Arbeiter bildet sich nicht in der Fabrik, er verliert sein menschliches Antlitz in ihr. Einerseits verzerrte Widerspiegelung der entscheidenden Grundposition des menschlichen Lebens, die Arbeit, keine Revolution, um Mensch zu werden, anderseits Marx: Aufforderung zur Revolution, Arbeiten unter menschlichen Bedingungen, Arbeit aus einer Last in eine Lust verkehren, denn nur in einer Lust entwickelt man Kreativität, Platon sprach vom intellektuellen Eros, der in der kapitalistischen Arbeitswelt am Eingangstor abgetötet wird. Der Mensch wird eine Ware und ein Teilzubehör zu einer Maschine. Die Linke/Niedersachsen lügt der Arbeiterklasse vor, in den großen Fabrikhallen von VW liegen gute Jobs und gute Arbeit vor. Sie ist so gut, dass sie nach dem Feierabendpfiff wie die Pest geflohen wird.

 

1. Vergleiche FAZ, 2.12.24, Seite1

2. Karl Marx/Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke,
Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 468

 

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Über Heinz Ahlreip 115 Artikel
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse.

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