Formale und dialektische Logik

Dialektik - die philosophische Wissenschaft von Gesetzmäßigkeit und Widerspruch

Wir stehen, bedingt durch die Pariser Commune und der Oktoberrevolution, durch zwei qualitative Sprünge in einer entscheidenden Phase der Weltgeschichte, die theoretisch als eine Periode der Dialektikdominanz bzw.  durch die Anerkennung einer generellen dialektischen Weltgesetzlichkeit charakterisieren ist.

Heinz Ahlreip – Autor I Redaktionsbeirat

Der innere Puls der Weltgeschichte und die innere Widersprüchlichkeit in ihrer universellen Selbstbewegung sind uns in keiner Periode bewusster gewesen. Wir sind erst heute in der Lage, natürliche, gesellschaftliche und geistige Prozesse annähernd richtig widerzuspiegeln. Die Materialisten verfechten eine bedingt mögliche Objekt-Subjekt-Identität, die objektiven Idealisten Hegelscher Schule eine totale Subjekt-Objekt-Identität. Deutete diese Geschichte als Entfaltung einer Weltvernunft, so deuteten Marx und Engels und so deuten wir heute Geschichte als Empörungsgeschichte der modernen Produktivkräfte (Menschen und Produktionsinstrumente) gegen die modernen Produktionsverhältnisse (Wechselbeziehungen der Menschen im Produktionsprozess). Heute pochen enorm, rapide und vielseitig wachsende die Diktatur des Proletariats anstrebende Produktivkräfte gegen alte, überkommene unter der Schmarotzerdiktatur der Bourgeoisie erstarrte Produktionsverhältnisse. Diesen Widerspruch zur Auflösung zu bringen ist vornehmlich die Aufgabe der revolutionären Kriegspartei des Proletariats vermittels revolutionärer Gewalt und der aus sie sich entwickelnden proletarischen Diktatur, die ununterbrochen die Gewaltanwendung der Armen in Stadt und Land gegen die Reichen in Stadt und Land predigt und ausführt. 

Im Alltagsbewusstsein ist es heute nicht verankert, dass es in der Gegenwart und Zukunft um die Machtrivalität zweier Diktaturen geht, die den ganzen Lebensinhalt der Menschen bestimmen und bestimmen werden. Sitten- und zeitwidrig dominieren die Verteidiger des Alten, fast im Vollbesitz aller Massenmedien, die fadenscheinig demokratisch zugelassene Interpretation der Wirklichkeit. Die ideologische Blockade richtet sich gegen die elfte Feuerbachthese. Wer lesen und schreiben kann und im Dienst der Bourgeoisie steht, hat gesellschaftliche und Denkprozesse Massen blendend zu festgefrorenen Kristallen zu vereisen, das Fieber der Dialektik auf ungefährliche Hitze zu senken, der metaphysischen Betrachtungsweise die Oberaufsicht über die Gedanken zu garantieren. So dogmatisch wie die katholische Kirche im Mittelalter, alles einem Wort Gott zu unterwerfen, kann die moderne Bourgeoise heute nicht mehr sein. Sie kann in keiner Weise mehr eindimensional auftreten. Das ‘Sowohl als auch‘, die Hauptlosung des Eklektizismus ist ihr Lieblingskochlöffel in ihrer Ideologieküche. Von jedem ein Stück. Sowohl das Alte, als auch das Neue, sowohl die alte Elite als auch Gewerkschaftsbonzen, sowohl Renditen als auch zahnlose kommunistische Parteien, sowohl Bourgeoise als auch Proletariat, so kommt man durchs Leben. So kann natürlich das zum letzten Gefecht rüstende Proletariat nicht denken. Für es gibt es kein ‚Schema F‘, sondern die Dialektik erheischt die allseitige Berücksichtigung der Wechselbeziehungen in ihrer konkreten Entwicklung.  Allseitige Verbundenheit und allseitige Binnenentwicklung aller Prozessstücke, Stücke, die keine sind, sondern widersprüchlich fließen in einem Fluss Richtung Zukunft. Auseinandergerissene Teile eines Organismus, lebloser Körper, bleierne Zeit. Die Bourgeoise muss allerdings die Kategorie der Entwicklung wiederum auch favorisieren, sie kann nicht mehr wie der mechanische Materialismus im 18. Jahrhundert die Welt als ein Komplex von Dingen anbieten, schon der Eklektizismus operiert mit Gegenteiligem, dass die Welt ein Komplex von Prozessen ist, dahinter kann selbst der hinterwäldlerischste bürgerliche Ideologe nicht zurück. Aber bitte ein Komplex evolutionärer Prozesse, das ließe sich doch einrichten. Ihr Gesicht nicht der Zukunft zugewandt, sind bürgerliche Ideologen heute Kompilatoren, sie plündern in den Steinbrüchen von Montesquieu (Gewaltenteilung, eine gängige Fabel politischer Rosstäuscher), Rousseau (angeblich regiere der Volkswille), vornehmlich Lockes (Liberale angelsächsische Freiheit, dabei ist doch der unbewaffnete Bobby heute ein Cliché). Überhaupt herrscht in der bürgerlichen Gesellschaft die Vergangenheit als angehäufte Arbeit über die Gegenwart. Der Kapitalismus hat sich in der ganzen zivilisierten Welt in seiner Wirtschaftsarbeit auf die Erfahrungen und Gewohnheiten von Jahrhunderten gestützt. Und von den Bolschewiki erwartete man nach 1997 einen blitzsauberen Sozialismus nach wenigen Jahren. Die Bourgeoisie kann über ihre Zeit wohl technisch, nicht aber politisch hinausgehen. Franz-Josef Strauß hat es auf den Punkt gebracht: ‘Lieber nüchterne, langweilige (!!) bürgerliche Vernunftpolitik als das bunte Narrenschiff Utopia‘.

Als die Bolschewiki 1920/21 die Frage nach dem Wesen und der Position der Gewerkschaften im Sozialismus aufnehmen mussten, einigte man sich auf: ‘Schule des Kommunismus‘. Bucharin äußerte während der Debatte, dass ein Glas sowohl ein Trinkglas als auch ein Glaszylinder darstellen könne. Lenin sah das als kurzsichtig an und verwies auf allseitige, wechselseitige, ultraperspektivische und komplexe 1000 Eigenschaften eines Glases. Es stehe in immanenter widersprüchlicher Wechselbeziehung widersprüchlich zur gesamten übrigen Welt, so – ohne dass das Wissen im Alltagsbewusstsein vorliegt – jeder Mensch, jede Gruppe von Menschen, jede durch den Produktionsprozess bestimmte Klasse von Menschen mit der ganzen übrigen Welt zusammenhängt. Wenn heute der Amazonasurwald in Serie nach Fußballfeldgröße brandgerodet wird, so berührt das ein Baby und einen gestandenen Revolutionär zugleich. Es kann uns heute kein Punkt auf der Erde kalt und taub lassen. Einem Glas eignet eine mannigfaltige Komplexität von Bedeutungen, Verwandlungen und Beziehungen an ihm selbst, ein Geflecht der universellen Komplexität allseitiger Interdependenz bzw. Verbundenheit.

Die formale Logik, die lediglich zu Beginn des menschlichen Denkens eine temporäre Bedeutung hat, kann verschiedene Definitionen erarbeiten und aneinanderreihen, aber wir erhalten durch die Aufzählung eine eklektische Definition,

„die uns auf verschiedene Seiten des Gegenstandes hinweist, und weiter nichts.“
(Lenin, Noch einmal über die Gewerkschaften und die Gehler Bucharins und Trotzkis, Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1960,85)

Im Gegensatz zu dieser formalen Logik und ihrer Aufmerksamkeit auf verschiedene Seiten, verlangt die dialektische Logik die Berücksichtigung der Allseitigkeit: Formale Logik: Verschiedene Seiten, so dass ein subjektiver Faktor des Auswählens bleibt, muss weitergehen zur dialektischen Logik der Allseitigkeit der Selbstbewegung, der man keine Etiketten aufkleben kann, die sich in sich selbst ausfaltet, sich bar jeglicher subjektiven Einmischung auswirft. Marx lässt die Ware aus ihrem immanenten Widerspruch Gebrauchswert-Tauschwert sich selbst entfalten, immer wieder neue stets noch widersprüchliche Warenkonstellationen hervorbringend. Uns bleibt das bloße Zusehen als von objektiver Dialektik geforderte Grundhaltung. In Hegels Werk haben sich die Widersprüche abgearbeitet bzw. aufgearbeitet, hineingearbeitet ins absolute Wissen, die Ware treibt zur bürgerlichen Gesellschaft und diese extrem widersprüchliche zur klassenlosen, nicht-antagonistischen. Das absolute Wissen am Ende ist die einfachste sinnliche Gewissheit des Anfangs, nur jetzt begrifflich weltinhaltlich durchdrungen durch die Weltgeschichte der Philosophie, diese jetzt endlich zum Abschluss gebrachte. Es bleibt immer ein Erstaunen darüber, dass dem Meister, der den die Welt beherrschenden Widerspruch als erster bändigte, ein großer faux pas unterlief: Das Ende der Weltgeschichte im Jahr 1806, das Jahr, in dem von ihm das absolute Wissen notiert worden war. Welt- und Philosophiegeschichte seien somit bereits vollendet.  Was jetzt geschieht, sei Arabeske. 

Der urbanrurale unpolitische Kommunismus ist von seiner klassenlosen Substanz her die primitive unpolitische Urgesellschaft, in sich aufgehoben die vorgerichtlichen Klassenkämpfe, technisch die industrielle Revolution, die erst im Kommunismus bar unterdrückender Klassenegoität ihre potentiellen Kreativexplosionen wirklich frei zur Entfaltung kommen lassen kann. 

Zwischen der idealistischen Dialektik und der materialistischen gibt es keinen Unterscheid bezüglich des absoluten Wissens und es gibt einen Unterschied:  Der Idealist nimmt es für bare Münze, der Materialist strebt diesem zu, wissend dass es unerreichbar ist, je mehr wir uns jedoch tendenziell zu ihm anstrengen desto weniger Fehler unterlaufen uns, desto mehr sind wir vor Starrheit geschützt (a.a.O). Wir können natürliche, gesellschaftliche und geistige Prozesse eben nur annähernd richtig widerspiegeln. Zwei Prozesse können niemals identisch sein. Der Kommunismus kann nur eine Annäherung an den Kommunismus sein. 

 

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Über Heinz Ahlreip 110 Artikel
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse.

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