Was ich noch sagen wollte
Ein Kommentar von Heinrich Schreiber – 13. Dezember 2022 |
Seit Jahren weise ich darauf hin, dass der moderne Faschismus nicht von einer Partei ausgeht, sondern vom Staat selber. Eine derartige Auffassung wird naturgemäß von den Betroffenen und den Anhängern bürgerlicher Demokratie bestritten. Gegenwärtig wird alles getan, um aufzuzeigen, dort ist der Bösewicht der terroristische Anschläge plant. In einer medial groß angelegten PR-Aktion des Innenministeriums versucht der Staatsschutz zu belegen, dass nicht faschistoide Gesetze und VS sowie Polizeiaktionen (gegen aufbegehrende Bürger) bereits Teil des modernen Faschismus ist, sondern Einzelpersonen. Am 07. Dezember teilte dann artig der Spiegel in seinem Onlineportal mit:
Sie wollten wohl den Bundestag stürmen und trainierten mit Waffen: Eine Terrorgruppe aus dem »Reichsbürger«-Milieu soll im Untergrund den Umsturz geplant haben.
Zu dieser medialen PR-Show des bundesdeutschen Staatsschutzes erreicht mich heute von Genossen Heinz Ahlreip ein Gastartikel, den ich hier gerne veröffentliche.
Reichsbürger
von Heinz Ahlreip
v. 13.12.2022In der Einleitung zu den ‘Klassenkämpfen in Frankreich 1848 bis 1850‘ von Karl Marx, die Engels 1895 kurz vor seinem Tod 1895 geschrieben hat, geht er auf die der Tagespublizistik unvermeidbar anhaftenden Mängel ein. Die bürgerliche Tagespresse gibt uns immer wieder Musterbeispiele, wie sie bei der Beurteilung von Ereignissen aus der Tagesgeschichte patzt und unter Außerachtlassung der ökonomischen Fundamentalkonstellation einer politischen Fragestellung, “der eigentlichen Basis aller zu untersuchenden Vorgänge, eine Fehlerquelle sein muss“ (Friedrich Engels, Einleitung zu den ‘Klassenkämpfen in Frankreich 1848 bis 1850‘ von Karl Marx 1895, in: Karl Marx, Friedrich Engels: Ausgewählte Werke, Progress Verlag Moskau, 1975, 669f.).
Anlässlich der aufgeflogenen Putschvorbereitungen der rechtsradikal-monarchistischen Reichsbürger und der Großrazzia gegen sie stellt der bürgerliche Journalist Reinhard Müller in einem Artikel vom 8. Dezember 2022 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, einem Pflichtblatt der Frankfurter Wertpapierbörse den amtierenden Generalbundesanwalt Peter Frank vor, dem Chefermittler gegen die rechtsradikalen Putschisten, denen u. a. Mitgliedschaft in und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt wird, der dem numerisch betrachtet größtem Verfahren der Generalbundesanwaltschaft vorsteht. Frank leitet die Behörde in Karlsruhe seit 2015. In seinem Artikel über den Generalbundesanwalt stellt Müller fest: “Formal ist er weisungsabhängig. Er hält die demokratische Legitimation allen staatlichen Handelns für wichtig. Recht und Gesetz sieht er als alleinigen Maßstab seines Handelns an; und auch die Minister, so fügt er an, dürften sich nicht außerhalb des Gesetzes bewegen“ (Bernhard Müller, Ermittelt gegen Putschisten, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. Dezember 2022,8). Hier liegt ein ganzes Sammelsurium von politischen und juristischen Illusionen vor, die sowohl der Edeljournalist der FAZ als auch der handverlesene Edeljurist der Bundesanwaltschaft teilen. Das muss zwangsläufig herauskommen, wenn man geistig nur im Rahmen des politischen und juristischen Überbaus operiert, unter Ausblendung der fundamentalen ökonomischen Kernbedingungen gesellschaftlicher Fragen. Das klingt natürlich im Sinne eines politischen Republikanismus alles sehr ideal und Müller gibt eben das Ideal und die Illusion des satten Bürgertums wieder. Die Minister dürfen sich nicht außerhalb des Rechts bewegen! Das ist es eben, was die Feststellung von Lenin erfüllt, dass die Menschen in der Politik immer Opfer von Betrug und Selbstbetrug sind. Schön wäre es, wenn die gewählten Minister sich an die Verfassung halten würden. Sie können es nicht, weil, wie Lenin in Staat und Revolution schreibt, im bürgerlichen Geldsystem eine Allianz von Regierung und Börse vorliegt (Vergleiche Lenin, Staat und Revolution, Werke, Band 25, Dietz Verlag Berlin, 1960,405). Der oberste Strafverfolgungsjurist der “Republik“ gibt vor, weisungsabhängig von seinem Minister zu sein, aber das ist doch noch nicht das Ende der Fahnenstange. Das Justizministerium ist abhängig von der Börse und von den Großbanken. Börse und Großbanken sind in einer bürgerlichen Republik die wirklichen Anweisungsgeber. Es liegt eine Diktatur des Kapitals vor oder wie der französische Ökonom Lysis schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts notierte: Die bürgerlichen Republiken sind in Wirklichkeit Finanzmonarchien. Die bürgerlichen Minister sind wie Wachs in den Händen der Bankiers, kein verantwortlicher Minister fühlt sich seinen Wählern und dem Volk gegenüber rechenschaftspflichtig, rechenschaftspflichtig sind sie allein gegenüber der Börse und den Bankiers. Und diese Verhältnisse werden andauern, solange der Mensch nicht mit den im Herbst 1843 von Marx geäußerten Worten seine ‘forces propre‘ (seine eigenen Kräfte/H.A.)) als gesellschaftliche Kräfte organisiert hat, “und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht“ (Karl Marx, Zur Judenfrage, Werke, Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1960,370). Eine halbe Religion führt von Gott ab und es sind immer nur halbe Religionen, die die bürgerliche Journaille auftischt, denn sie muss, salopp formuliert, ein Brett vor dem Kopf haben. Das Proletariat darf aber niemals halben Religionen folgen, sondern dem Pfad der Revolution, den Marx in der Schrift ‘Zur Judenfrage‘ erstmalig eingeschlagen hat, noch vom abstrakten Menschen, noch nicht von den Klassenzusammenhängen in der bürgerlichen Gesellschaft ausgehend. Aber die Richtung stimmte bereits.
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