Klassenkämpferische Gewerkschaftsarbeit ist jetzt notwendig

Pflegepersonal an der Pitié Salpetrière in Paris (Quelle: La Forge 617)

Übersetzung aus „La Forge“ Mai 2020, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF) – 22. Mai 2020

Jetzt und besonders in den ersten Wochen der Ausgangssperre musste man dafür kämpfen, auf die Schließung von Einrichtungen, die nicht “lebenswichtig“ sind zu drängen oder/und angemessene Schutzmaßnahmen für die Arbeit, durchzusetzen. Man musste auf die eine oder andere Art, durch Petitionen, Streik, vorstellig werden beim Sicherheitsausschuss, Ausübung des Rechts auf Arbeitsverweigerung, durch Gerichte… der Tatsache Geltung verhelfen, dass „unser Leben mehr zählt als euer Profit“.

Amazon hat es jedoch vorgezogen, seine Lager zu schließen, ehe es gezwungen wurde, Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten zu ergreifen und mit den Gewerkschaften darüber verhandeln zu müssen! Diese für den Schutz der Beschäftigten notwendigen Kämpfe waren in den überwiegenden Fällen begleitet von einer quasi systematischen Kritik an der neoliberalen Politik, die das Gesundheitssystem zerstört hat, sodass es nicht mehr in der Lage war, dieser Art Epidemie die Stirn zu bieten, bei der die Aufgaben der Reanimation (mit allem, was dazu technisch notwendig ist) an erster Stelle stehen. Aber diese Kritik ging auch weiter, indem sie das System, das kapitalistische System, angriff.

Man muss die jetzigen Forderungen mit der Kritik am kapitalistischen System verbinden

Die Schwere der Situation mit diesen tausenden Kranken und Toten innerhalb einiger Wochen in Frankreich und weltweit wie der Zynismus der Unternehmer, die auf Wiederaufnahme der Produktion drängen und die Ungereimtheiten der Regierung, die im Namen gesundheitlicher Erfordernisse Ausgangssperren verhängen, während sie gleichzeitig zur Arbeit ermuntern… trug dazu bei, die Verantwortlichkeit des Systems – das ständig nach Profit strebt – in dieser Krise verständlich zu machen.

Wie könnte es anders sein, wenn man gezwungen ist, dafür zu kämpfen, um sein Leben in der Arbeit zu schützen, sei es an der Supermarktkasse oder im öffentlichen Verkehr oder in der Logistik, weil man im Reinigungsdienst oder bei der personenbezogenen Hilfe arbeitet…während eine Pandemie grassiert! Nie hatte in der kapitalistischen Gesellschaft die Gesundheit bei der Arbeit Vorrang!

Den Beweis, wenn es denn eines Beweises bedürfte, erbringt die kürzliche Abschaffung des CHSCT 1) …

Mit den jetzigen zahlreichen Rückgriffen auf die Notstands- und Ausnahmegesetze, oder Gesetze zur Abwehr schwerer und drohender Gefahren, besteht kein Zweifel, dass diese Regelungen, die schon im Arbeitsrecht gegeben sind, unter Umständen nach der Epidemie von den Unternehmern aus reinem Klassendenken wieder hervorgeholt werden, um die Möglichkeit von „schädlichen Einwirkungen“, im Besonderen bei der Produktion, so gering wie möglich zu halten.

Diese Pandemie zeigt mehr wie jede andere Auseinandersetzung, wie die Gesellschaft und besonders diese Minderheit, welche die Produktions- und Tauschmittel besitzt und von den Staatslenkern als Garanten gehört wird, die Arbeiter einschätzt. Letztendlich kommt es darauf an, dass sie wieder arbeiten, die Maschinen zum Laufen bringen und genügend fit und gesund sind, um am nächsten Tag wieder zu kommen.

Man kann sich nicht begnügen, diejenigen zu beklatschen, „die bei der Schinderei vorne stehen“.

Während viele Arbeiter noch in Kurzarbeit sind (mehr als 11 Millionen), stehen Millionen anderer an der Arbeitsfront und sind Teil dieser „Ersten im Schützengraben“, dieser „Unsichtbaren“, die es durch ihre Arbeit erlauben, dass die Gesellschaft noch aufrecht dasteht.

Viele unter ihnen, vor allem in der Region von Paris, aber nicht nur dort, kommen in die Fabriken, die arbeiten, oder zu den Dienstleistungen, um Büros, Busse, Züge, Werkstätten zu dekontaminieren…oder um Müll zu entsorgen oder für einige Stunden an der Kasse des Supermarktes zu sitzen…

Die Pandemie hat der gesamten Gesellschaft diese zehntausende Männer und Frauen (endlich!) als „unersetzbar“ vor Augen geführt.Ihnen zu applaudieren, genügt nicht. Es ist auch nötig, dass die Gewerkschaftsbewegung dazu kommt, sich um ihre Forderungen und Wünsche systematischer zu kümmern.

Der 1. Mai hat gezeigt, dass es Möglichkeiten gibt, vor Ort gemeinsame Initiativen in Gang zu bringen.

Jetzt war es notwendig und ist es noch, die Angst vor der Ansteckung durch das Virus zu überwinden, zu zeigen, dass die soziale Gerechtigkeit, die vom Kapitalismus befreite Gesellschaft immer noch offene Fragen sind, die jetzt zu lösen sind. Es ist absolut notwendig, die Forderungen der Arbeiter zu verteidigen und nicht nur hinter dem Rechnerbildschirm sitzen zu bleiben oder Videokonferenzen abzuhalten.

An diesem 1.Mai haben wir gesehen, dass einige Belegschaften den Verboten, die mit der Kontaktsperre verbunden sind, trotzten und Kundgebungen mit Bannern und Schildern mit Forderungen organisierten.

Die Kontaktsperre ist eine politische Antwort der kapitalistischen Gesellschaft angesichts ihrer Gleichgültigkeit, auf diese Pandemie zu reagieren. Diese Gleichgültigkeit muss bekämpft werden. Sie besteht tagtäglich gegenüber denjenigen, die mehr Mittel, besonders für die Krankenhäuser, mehr Schutzmaßnahmen fordern; die die Anordnungen kritisieren, die Arbeitszeiten ins Uferlose zu verlängern, die höhere Löhne fordern…

Aber um höchste Wirkung zu erzielen, müssen diese Forderungen auch körperlich, kollektiv vertreten werden und sich folglich notwendigerweise über eine gewisse Anzahl von Verboten hinwegsetzen.

(Übersetzung Siegfried None)

Anmerkung:
1) Das Komitee für Hygiene, Sicherheit und Arbeitsbedingungen (CHSCT) ist in Frankreich eine Institution der Personalvertretung in einem Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung.

 

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