Die kapitalistische Massentierhaltung steht schon seit langem in der Kritik. Tierquälerei, fehlende Hygiene, Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier – all dies wird in Schweinezuchtanlagen vereint. Trotzdem gab es bisher keine wirkungsvollen Maßnahmen, wohl auch kaum Interesse, welche diese Industrie in die Schranken weisen.
Die Notwendigkeit dessen ist allerdings nicht unübersehbar. Das letzte Beispiel dafür ereignete sich erst vor sechs Wochen. Am 30. März 2021 ist die Schweinehaltung in Alt Tellin bei Jarmen (Mecklenburg-Vorpommern), eine der größten Schweinezuchtanlagen Europas, fast gänzlich abgebrannt. Rund 50.000 Ferkel und circa 7.000 Sauen wurden dabei getötet, nur 1.300 konnten gerettet werden. Somit sind über 50.000 Tiere qualvoll in den Flammen gestorben.
Der Betreiber dieser Schweinezuchtanlage ist die LFD Holding, die 2020 von der Schweizer Terra Grundwerte AG übernommen wurde. Zur LFD gehören nach eigenen Angaben elf Anlagen mit 400 Beschäftigten und rund 55.000 Sauen in Ställen in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Bayern.
Die LFD war 2015 aus dem niederländischen Familienunternehmen des Züchters Adrian Straathof hervorgegangen, gegen den ein Landkreis in Sachsen-Anhalt wegen Tierschutzverstößen ein Tierhaltungsverbot verhängt hatte. Gegen die Unternehmen der damaligen Straathof-Gruppe hatte es in mehreren Bundesländern Proteste gegeben. Und trotzdem konnten Sie ihren Betrieb fortsetzen und sogar expandieren.
Eine Schweinezuchtanlage in diesem Stil ist kein Einzelfall, sondern leider die Regel. In Deutschland werden rund 27,2 Millionen Schweine zum Zweck der Fleischproduktion gehalten: etwa 11,7 Millionen Mastschweine, etwa 12,5 Millionen Jungschweine und Ferkel und rund 1,8 Millionen Zuchtschweine (Stand 2019).
Etwa die Hälfte aller Mastschweine lebt in Betrieben mit 1.000 bis über 5.000 Schweinen. In den geschlossenen Stallsystemen befinden sich größere Abteile mit nebeneinander angeordneten Buchten. Darin werden Mastschweine meist in Gruppen von zwölf bis 20 Tieren gehalten, in stark technisierten Betriebe auch deutlich mehr.
In den Buchten haben die Tiere kaum Raum zur Verfügung: Für Mastschweine mit einem Körpergewicht von über 50 bis 110 Kilogramm ist eine Mindestbodenfläche von lediglich 0,75 Quadratmeter pro Schwein vorgesehen, für Schweine mit einem Gewicht von über 110 kg gerade einmal eine Fläche von einem Quadratmeter. Vor allem gegen Ende der Mast reicht der Platz kaum aus, damit sich alle Schweine in die Seitenlage (ihre Ruheposition) legen können.
Obwohl Schweine eigentlich auf weichen Untergründen in Waldgebieten leben, sind die Buchten mit einem harten Spaltenboden ausgestattet. Die häufig eingesetzten Vollspaltenböden decken den gesamten Lebensbereich ab: Sie bestehen abwechselnd aus Betonstegen als Auftrittsfläche und Spalten als Durchlass für Kot und Harn. Die Mastschweine treten so ihre eigenen Exkremente durch die Spalten hindurch, doch es bleibt immer etwas zurück. Schweine sind sehr reinliche Tiere, die unter natürlichen Bedingungen strikt darauf achten, ihren Liegebereich von ihrem Kot- und Harnplatz zu trennen (wenn möglich mit einem Abstand von bis zu 15 Metern). Doch in der beengten Unterbringung mit hoher Besatzdichte ist eine Trennung von Kot- und Liegeplatz kaum möglich. Bei der gängigen Haltung auf Spaltenboden hat dies zur Folge, dass sowohl die Liegefläche als auch die Mastschweine selbst permanent mit Kot verschmutzt sind, da in den Bodenspalten Kotreste hängen bleiben. Und das, obwohl Schweinen der Kotgeruch allein schon sehr unangenehm ist.
Aufgrund der reizarmen, langweiligen Umgebung liegen die Mastschweine täglich stundenlang auf den harten Betonböden. Da Einstreu oder Matten im Liegebereich fehlen, ist der Boden höchst unbequem und begünstigt schmerzhafte Gelenkerkrankungen, Drucknekrosen, offene Hautwunden und Schleimbeutelentzündungen. Mit den Spalten geht überdies ein Verletzungsrisiko einher: Zu große Spaltenweiten, scharfe Kanten und Bodendefekte verursachen Quetschungen und Verletzungen, die bei der Infektion mit Bakterien zu schmerzhaften Vereiterungen und absterbendem Gewebe führen.
Die einstreulose Haltung birgt außerdem zusammen mit schnellverdaulichem Mastfutter und Stress durch hohe Belegdichten ein hohes Risiko für schmerzende Magengeschwüre. In besonders schlimmen Fällen können daraus resultierende Blutungen zum Tod führen.
Vollspaltenböden spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Erkrankungen des Atmungsapparates, da die Mastschweine ständig Schadgasen ausgesetzt sind, die vom Flüssigmist unter den Spaltenböden ausgehen. Ammoniak, ein besonders schleimhautreizendes Gas, stellt dabei den größten Anteil dar. Das kontinuierliche, unumgängliche Einatmen der Gase bewirkt eine Schädigung der Atemwege und der Lunge – viele Schweine leiden unter andauerndem Husten. Bei besonders schlechter Stallluft reichen schon wenige Erreger aus, um eine Lungenentzündung auszulösen.
Die Haltung auf Vollspaltenböden führt nicht zuletzt zu Verhaltensstörungen wie Schwanz- und Ohrenbeißen, sie werden als Ausdruck einer Überforderung der Mastschweine durch ihre Umwelt angesehen. Auch das Ausbleiben von Nahrungssuche und Kauen durch die Fütterung mit Brei ruft solche Ersatzhandlungen an anderen Tieren hervor. Durch Verletzungen mit Blutaustritt werden Artgenossen dazu eingeladen, auch in die Wunde zu beißen, was zu Kannibalismus und schlimmstenfalls zum Tod führen kann. Das als Gegenmaßnahme durchgeführte Schwanzkürzen stellt lediglich eine Behandlung der Symptome dar, beseitigt jedoch nicht die Ursachen.
Aufgrund der Mängel der intensiven Haltungssysteme sind Antibiotikagaben zur Routine geworden: Oft werden ganze Tiergruppen – entgegen offizieller Empfehlungen – prophylaktisch mit Antibiotika behandelt. Eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes wäre möglich: Das Immunsystem der Tiere müsste mit mehr Bewegung und Auslauf ins Freie gestärkt werden, doch aus dies verursacht Kosten und Aufwand. Auch die Körperpflege, die der Thermoregulation, der Hautpflege und dem Abwehren von Juckreiz dient, können die Schweine in der Massentierhaltung nicht ausführen. Das Kratzen und Scheuern an Bäumen, Pfählen, Bürsten und Ähnlichem bleibt in Ermangelung von Angeboten unbefriedigt.
Unter naturnahen Bedingungen suhlen sich die Tiere im Schlamm, um sich Kühlung zu verschaffen und um Parasiten abzuwehren – was in konventioneller Haltung unmöglich ist. Sind die Besatzdichten im Verhältnis zu kleinen Buchten gegen Ende der Mast so hoch, dass den Schweinen auch das seitliche Abliegen auf dem kühlen Boden versagt bleibt, besteht bei hohen Temperaturen die Gefahr, dass die Tiere überhitzen.
Insgesamt sind die Haltebedingungen in großen Schweinezuchtanlagen eine Zumutung und können keineswegs als artgerecht bezeichnet werden. Schließlich sterben etwa drei Prozent der Mastschweine noch vor Erreichen des Schlachtalters; bei den Ferkeln, die noch gesäugt werden, ist es noch schlimmer – eine Sterblichkeitsrate von rund 14 Prozent ist üblich. In der konventionellen Schweinehaltung wird das Ausleben der meisten Grundbedürfnisse stark oder vollständig unterdrückt. Dazu zählen Körperpflege, Sozialverhalten, Ruhen auf sauberem Untergrund, Gehen, Laufen, Erkunden sowie vielfältige mit der Nahrungsbeschaffung und -aufnahme verbundene Verhaltensweisen, wie das Wühlen und Scharren in weichem Untergrund. Selbst die Schweine also, die bis zum Schlachtungszeitpunkt (der schon schmerzhaft genug ist) überleben, leben unter den schlimmsten Bedingungen, die man sich für fühlende Wesen vorstellen kann.
Nun stellen sich viele Fragen. Wie können solche „Ferkel-Fabriken“ überhaupt gebaut werden? Wieso werden keine politischen Maßnahmen ergriffen, um Schweinezuchtanlagen zu verhindern? Spielt das Wohlbefinden von Tieren denn wirklich gar keine Rolle, wenn es um unseren Genuss geht? nein ist leider die Antwort. Das Wesen des Kapitalismus ist (unter Anderem) Profitmaximierung. Da steht nun einmal das Wohl der Schweine im Wege.
Aus liberaler Sicht kann man nun argumentieren: „Dann kauft eben Bio-Fleisch!“ Schließlich regelt die Nachfrage ja das Angebot. Allerdings ist es ein Fakt, dass viele Menschen sich diese Optionen gar nicht leisten können, geschweige denn vegetarische oder vegane Alternativen.
Der Ruf nach einer staatliche Regulierung der Fleischindustrie ist verständlich, nur leider nicht realistisch. Tiere sind im Kapitalismus Objekte und ihr Leben steht nur im Verhältnis zum erwarteten Profit. Es wäre naiv zu warten, ob „der Markt das regelt“, denn eine Besserung ist wohl kaum in Sicht.
Schweinezuchtanlagen in dieser Größe dürften auf keinen Fall erlaubt werden. Die Tiere brauchen so viel Platz, dass sich alle ausgestreckt auf den Boden legen können. Vollspaltenböden sollten nicht die Grundlage für Schweineställe bieten.
Und vor allem muss das Tierwohl endlich ernst genommen werden. Eine bessere Welt ist möglich, leider aber wie bei so manchen Dingen, wohl erst nach dem Sturz des kapitalistischen Systems.
.
________________________
.
Der Der Revolutionär ist ursprünglich als Der-Heinrich-Schreiber-Blog ins Leben gerufen worden, um über aktuelle Themen aus marxistisch-leninistischer Sicht zu berichten bzw. diese zu kommentieren.
Leider ist die bestehende Sichtweise über den Weg zum Sozialismus vielfach verfälscht, gelegentlich auch revisionistisch unterwandert und hat mit einer kommunistischen Ideologie wenig, gelegentlich auch gar nichts mehr zu tun.
Daher stellt dieses OnlineMagazin kommunistische Weltanschauung zur Diskussion. Viele Autoren, auch die Redaktion, befinden sich heute, durch unsere Altersstufe bedingt, im Ruhestand. Wir alle möchten aber unsere Erfahrungen als frühere „Parteikader“ weitergeben. Diese haben wir in der marxistisch-leninistischen Parteiarbeit und politischen Auseinandersetzung der 1970er und 80er Jahre gesammelt. Meinungsartikel und Gastbeiträge – auch wenn sie gelegentlich von der Meinung der Redaktion abweichen – sorgen für ein breites Meinungs- und Informationsspektrum.
.
Ihr könnt dies Magazin unterstützen, indem ihr:
- Freunden, Bekannten, Kollegen und Gleichgesinnten
von diesem OnlineMagazin DER REVOLUTIONÄR erzählt; - Einen Link zu diesem Magazin an sie versendet;
- Die jeweiligen Beiträge teilt oder mit einem Like verseht;
- Eine Empfehlung in den sozialen Medien postet;
- Die Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit durch Artikel,
Leserbriefe, Videoberichte und Kritiken unterstützt,
gerne auch als Gastartikel oder Volkskorrespondent; - Unsere Seite bei Facebook mit einem Like verseht;
(https://www.facebook.com/DerRevolutionaer); - Folgt dem Magazin bei Twitter ( https://twitter.com/HSintern ).
.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar